Die Kraft der Kräuter
Gesunde Ernährung ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen für ein langes Leben – chinesische Heilkräuter helfen dabei. Eine Expertise aus der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und Tipps von Prof. Wang Jing.
Es duftet verführerisch. Seit Stunden simmert in einem Topf chinesische Hühnersuppe mit geheimnisvollen Kräutern, nach einer Rezeptur, die der Arzt Li Dong Yuan im Jahre 1247 niederschrieb. Seitdem hat die wohlschmeckende Suppe nichts an ihrer Beliebtheit verloren. Auch im Westen stehen Heilkräuter zur Ernährung nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hoch im Kurs, egal ob als Tees, Smoothies oder Suppen. Gesunde Ernährung ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen für ein langes Leben.
Heilkräuter stehen in China seit Jahrhunderten auf dem Speiseplan, finden sich in vielen Kochrezepten wieder und ganz besonders in der Suppenküche, auf deren heilsame Kraft man weit über die Grenzen Chinas schwört.
Hühnersuppe gegen Stress und Burn-out
So schwimmen in der Hühnerbrühe neben einem Suppenhuhn, frischem Ingwer, Karotten und vielem mehr auch die chinesische Ginsengwurzel Ren Shen, die weiße Pfingstrosenwurzel Tragant und natürlich Dang Gui, eine krautige Pflanze mit purpurfarbenem Stängel und einer Blüte in Form einer Doppeldolde, bei uns manchen bekannt als Angelica sinensis radix. Gekocht, im Tee oder als wässriger Extrakt, dem sogenannten Dekokt, entfaltet Angelica ihren typisch süßlich-scharfen Geschmack. Die Wirkung auf den Körper beschreibt die chinesische Medizin als harmonisierend für das Blut mit Funktionskreisbezug auf Herz, Leber und Milz.
In der Kraftsuppe tritt Angelica in Wechselwirkung mit den anderen Heilkräutern, weswegen diese Rezeptur besonders bei Stress, unspezifischen Erschöpfungszuständen, Burn-out oder im Wochenbett nach kräftezehrender Geburt verabreicht wird.
TCM ist der Schlüssel
Die fünf Elemente Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer sind die Grundlage für die chinesische Ernährungsphilosophie. Jedes Element steht für einen Geschmack, eine Farbe, einen Jahreskreis sowie für einen Funktionskreis. „Die chinesische Medizin legt viel Wert auf die Stärkung des eigenen Körpers und das Vorbeugen von Krankheiten durch Qi, die Lebensenergie, und Xue, das Blut. Die tragende Säule dabei ist die Phytotherapie, also die Behandlung mit Heilpflanzen und Kräutermischungen“, postulierte schon Dr. Fritz Friedl, einer der Vorreiter der TCM in Deutschland.
Als Erfahrungsmedizin blickt TCM auf eine mehr als 3.000-jährige Geschichte zurück. Charakteristisch dabei ist die ganzheitliche Sichtweise. Ihre Stärke liegt vor allem in den Bereichen psychosomatischer Zivilisationserkrankungen und chronischer Leiden, bei denen die westliche Medizin oft ratlos das Handtuch wirft. TCM steht nicht in Konkurrenz zur Schulmedizin, sondern zeigt sich als eine gute Ergänzung.
Auch in Deutschland bietet eine Vielzahl an Heilpraktikern, chinesischen Ärzten und TCM-Kliniken ihre Dienste an.
Jedem ist ein Kraut gewachsen
„Neben Qigong, Tai-Chi, Akupunktur, Massage, Schröpfen und Moxibustion macht die Pflanzenheilkunde die Mehrzahl aller therapeutischen Anwendungen aus“, weiß der chinesische Arzt und Professor Wang Jing zu berichten. Er absolvierte sein Studium an der Hochschule für Traditionelle Chinesische Medizin in Tianjin und verstärkt heute als Kräuter- und Akupunkturspezialist die Ärzteschaft der iTCM-Klinik Illertal in Illertissen. „Findet die westliche Medizin die Ursache nicht, dann kommen die Patienten zu uns.“
Immunschwäche, Migräne, Schlafstörungen oder Antibiotika-Unverträglichkeiten stehen ganz oben auf der Liste der Behandlungswünsche. Die Kräuter der TCM sind dabei keine harmlosen Pflanzen wie Petersilie oder Dill, die in beliebiger Menge über einen beliebigen Zeitraum konsumiert werden können. Sie enthalten medizinisch hochwirksame Substanzen, für deren Anwendung, beispielsweise eine diätetische Ernährung, stets zuerst der Heilpraktiker oder Arzt konsultiert werden sollte.
„Zu Beginn einer Phytotherapie mit entsprechender Diät steht eine ausführliche Anamnese gefolgt von Zungen- und Pulsdiagnose“, erzählt Professor Wang. Er arbeitet in der Klinik mit rund 50 verschiedenen Kräutern, wobei neben den Originalpflanzen und Blättern in getrockneter Form vor allem Granulate verwendet werden. Für jeden Patienten wird eine individuelle Mischung erstellt, die exakt zu seiner Befindlichkeit passt.
„Sind Milz und Nieren schwach, dann verwende ich Goji-Beeren. Bei Antriebslosigkeit hilft Ginseng. Beifuß hat sich bewährt bei Kälteerkrankungen und Bauchschmerzen.“
Allerdings kann das je nach Patient und Diagnose anders ausfallen. So ist Ingwer stark wärmend und hilft bei Erkältungen, sollte aber bei Bluthochdruck nicht genommen werden. Nach sieben bis zehn Tagen wird die Wirkung überprüft und die Kräuterzusammensetzung eventuell geändert.
Mischungen aus 500 Kräutern und Blüten
Viele der Pflanzen kommen aus Asien, einige aber auch aus Deutschland. Apotheker Stephan Zerrle von der Eichwald Apotheke in Bad Wörishofen beliefert Professor Wang und die Klinik mit individuellen Kräutermischungen nach Rezept, die er aus 500 Kräutern, Blüten, Wurzeln, Pilzen, Muscheln und tierischen Produkten herstellt. Zerrle legt größten Wert auf biologisch zertifizierte Herkunft und die Einhaltung des Washingtoner Artenschutzgesetzes.
„Jedes Kraut hat seine unverkennbaren Charakteristika, wie Temperaturverhalten, Geschmacksrichtung und die Meridiane, auf die es wirkt. Scharfes wie Chili führt zu vermehrtem Schwitzen. Es wird eigentlich in der TCM mit Gegensätzlichem behandelt. Bei Magenhitze, wir würden es Sodbrennen nennen, gibt es Kräuter, die erhöhtes Qi senken und die Magenhitze abkühlen.“
Chinesisches Superfood: Reishi-Pilze
Die Münchner Heilpraktikerin Xiaoling Guo beschäftigt sich seit ihrer Studienzeit in Hunan mit Heilkräutern und hat über 20 Jahre Erfahrung mit TCM. Für ihre Patienten erstellt sie nach Diagnose individuelle Kräutermischungen für Tees und kombiniert das auch mit einer diätetisch-individuell abgestimmten Ernährung. Eine Heilpflanze, die Xiaoling Guo häufig verordnet, ist die Wurzel des Astragalus membranaceus ssp, des chinesischen Tragant. Er lindert allergische Reaktionen wie Heuschnupfen und besitzt entzündungshemmende, zellschützende und allgemein vitalisierende Eigenschaften.
Die Rezepte können je nach den verwendeten Zutaten auch kostspielig werden. Das gilt vor allem für hochwertigen Ginseng oder Reishi-Pilze, denen ungeahnte Heilkräfte nachgesagt werden. Dabei wächst der bei uns als Glänzender Lackporling bekannte Pilz auch hierzulande an Stämmen kräftiger Buchen und Eichen. Hildegard von Bingen hat ihn bereits in ihren Schriften verewigt. Pulverisiert und zu Reishi-Smoothie verarbeitet, führt er die Superfood-Hitliste an.
Chinesische Kraftsuppe vom Tegernsee
Mittlerweile bieten auch die TCM-Abteilungen deutscher Apotheken Kochrezepte mit Heilkräutern an. Anne Gim von der Wallberg Apotheke in Rottach-Egern am Tegernsee bestätigt den Trend. Sie selbst schwört auf die Heilkraft warmer Suppen, die sie auch für die eigene Familie köchelt. Mittlerweile arbeitet sie bereits mit über 50 Heilpraktikern und Ärzten in ganz Deutschland zusammen. Und seit sie das Rezept für die chinesische Kraftsuppe veröffentlichte, stieg die Nachfrage nach den exotischen Ingredienzien rapide an, sodass sie die getrockneten Kräuter für diese Suppe jetzt als küchenfertigen Mix zum Verkauf anbietet: https://www.tcm-tegernsee.de
Guten Appetit und auf gute Gesundheit!