Die Kraft der Kräuter

Gesunde Ernährung ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen für ein langes Leben – chinesische Heilkräuter helfen dabei. Eine Expertise aus der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) und Tipps von Prof. Wang Jing.

Es duftet verführerisch. Seit Stunden simmert in einem Topf chinesische Hühnersuppe mit geheimnisvollen Kräutern, nach einer Rezeptur, die der Arzt Li Dong Yuan im Jahre 1247 niederschrieb. Seitdem hat die wohlschmeckende Suppe nichts an ihrer Beliebtheit verloren. Auch im Westen stehen Heilkräuter zur Ernährung nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hoch im Kurs, egal ob als Tees, Smoothies oder Suppen. Gesunde Ernährung ist eine der wirkungsvollsten Maßnahmen für ein langes Leben.

Heilkräuter stehen in China seit Jahrhunderten auf dem Speiseplan, finden sich in vielen Kochrezepten wieder und ganz besonders in der Suppenküche, auf deren heilsame Kraft man weit über die Grenzen Chinas schwört.

Hühnersuppe gegen Stress und Burn-out

So schwimmen in der Hühnerbrühe neben einem Suppenhuhn, frischem Ingwer, Karotten und vielem mehr auch die chinesische Ginsengwurzel Ren Shen, die weiße Pfingstrosenwurzel Tragant und natürlich Dang Gui, eine krautige Pflanze mit purpurfarbenem Stängel und einer Blüte in Form einer Doppeldolde, bei uns manchen bekannt als Angelica sinensis radix. Gekocht, im Tee oder als wässriger Extrakt, dem sogenannten Dekokt, entfaltet Angelica ihren typisch süßlich-scharfen Geschmack. Die Wirkung auf den Körper beschreibt die chinesische Medizin als harmonisierend für das Blut mit Funktionskreisbezug auf Herz, Leber und Milz.

In der Kraftsuppe tritt Angelica in Wechselwirkung mit den anderen Heilkräutern, weswegen diese Rezeptur besonders bei Stress, unspezifischen Erschöpfungszuständen, Burn-out oder im Wochenbett nach kräftezehrender Geburt verabreicht wird.

TCM ist der Schlüssel

Die fünf Elemente Erde, Metall, Wasser, Holz und Feuer sind die Grundlage für die chinesische Ernährungsphilosophie. Jedes Element steht für einen Geschmack, eine Farbe, einen Jahreskreis sowie für einen Funktionskreis. „Die chinesische Medizin legt viel Wert auf die Stärkung des eigenen Körpers und das Vorbeugen von Krankheiten durch Qi, die Lebensenergie, und Xue, das Blut. Die tragende Säule dabei ist die Phytotherapie, also die Behandlung mit Heilpflanzen und Kräutermischungen“, postulierte schon Dr. Fritz Friedl, einer der Vorreiter der TCM in Deutschland.

Als Erfahrungsmedizin blickt TCM auf eine mehr als 3.000-jährige Geschichte zurück. Charakteristisch dabei ist die ganzheitliche Sichtweise. Ihre Stärke liegt vor allem in den Bereichen psychosomatischer Zivilisationserkrankungen und chronischer Leiden, bei denen die westliche Medizin oft ratlos das Handtuch wirft. TCM steht nicht in Konkurrenz zur Schulmedizin, sondern zeigt sich als eine gute Ergänzung.

Auch in Deutschland bietet eine Vielzahl an Heilpraktikern, chinesischen Ärzten und TCM-Kliniken ihre Dienste an.

Jedem ist ein Kraut gewachsen

„Neben Qigong, Tai-Chi, Akupunktur, Massage, Schröpfen und Moxibustion macht die Pflanzenheilkunde die Mehrzahl aller therapeutischen Anwendungen aus“, weiß der chinesische Arzt und Professor Wang Jing zu berichten. Er absolvierte sein Studium an der Hochschule für Traditionelle Chinesische Medizin in Tianjin und verstärkt heute als Kräuter- und Akupunkturspezialist die Ärzteschaft der iTCM-Klinik Illertal in Illertissen. „Findet die westliche Medizin die Ursache nicht, dann kommen die Patienten zu uns.“

Immunschwäche, Migräne, Schlafstörungen oder Antibiotika-Unverträglichkeiten stehen ganz oben auf der Liste der Behandlungswünsche. Die Kräuter der TCM sind dabei keine harmlosen Pflanzen wie Petersilie oder Dill, die in beliebiger Menge über einen beliebigen Zeitraum konsumiert werden können. Sie enthalten medizinisch hochwirksame Substanzen, für deren Anwendung, beispielsweise eine diätetische Ernährung, stets zuerst der Heilpraktiker oder Arzt konsultiert werden sollte.

„Zu Beginn einer Phytotherapie mit entsprechender Diät steht eine ausführliche Anamnese gefolgt von Zungen- und Pulsdiagnose“, erzählt Professor Wang. Er arbeitet in der Klinik mit rund 50 verschiedenen Kräutern, wobei neben den Originalpflanzen und Blättern in getrockneter Form vor allem Granulate verwendet werden. Für jeden Patienten wird eine individuelle Mischung erstellt, die exakt zu seiner Befindlichkeit passt.

Sind Milz und Nieren schwach, dann verwende ich Goji-Beeren. Bei Antriebslosigkeit hilft Ginseng. Beifuß hat sich bewährt bei Kälteerkrankungen und Bauchschmerzen.“

Allerdings kann das je nach Patient und Diagnose anders ausfallen. So ist Ingwer stark wärmend und hilft bei Erkältungen, sollte aber bei Bluthochdruck nicht genommen werden. Nach sieben bis zehn Tagen wird die Wirkung überprüft und die Kräuterzusammensetzung eventuell geändert.

Mischungen aus 500 Kräutern und Blüten

Viele der Pflanzen kommen aus Asien, einige aber auch aus Deutschland. Apotheker Stephan Zerrle von der Eichwald Apotheke in Bad Wörishofen beliefert Professor Wang und die Klinik mit individuellen Kräutermischungen nach Rezept, die er aus 500 Kräutern, Blüten, Wurzeln, Pilzen, Muscheln und tierischen Produkten herstellt. Zerrle legt größten Wert auf biologisch zertifizierte Herkunft und die Einhaltung des Washingtoner Artenschutzgesetzes.

„Jedes Kraut hat seine unverkennbaren Charakteristika, wie Temperaturverhalten, Geschmacksrichtung und die Meridiane, auf die es wirkt. Scharfes wie Chili führt zu vermehrtem Schwitzen. Es wird eigentlich in der TCM mit Gegensätzlichem behandelt. Bei Magenhitze, wir würden es Sodbrennen nennen, gibt es Kräuter, die erhöhtes Qi senken und die Magenhitze abkühlen.“

Chinesisches Superfood: Reishi-Pilze

Die Münchner Heilpraktikerin Xiaoling Guo beschäftigt sich seit ihrer Studienzeit in Hunan mit Heilkräutern und hat über 20 Jahre Erfahrung mit TCM. Für ihre Patienten erstellt sie nach Diagnose individuelle Kräutermischungen für Tees und kombiniert das auch mit einer diätetisch-individuell abgestimmten Ernährung. Eine Heilpflanze, die Xiaoling Guo häufig verordnet, ist die Wurzel des Astragalus membranaceus ssp, des chinesischen Tragant. Er lindert allergische Reaktionen wie Heuschnupfen und besitzt entzündungshemmende, zellschützende und allgemein vitalisierende Eigenschaften.

Die Rezepte können je nach den verwendeten Zutaten auch kostspielig werden. Das gilt vor allem für hochwertigen Ginseng oder Reishi-Pilze, denen ungeahnte Heilkräfte nachgesagt werden. Dabei wächst der bei uns als Glänzender Lackporling bekannte Pilz auch hierzulande an Stämmen kräftiger Buchen und Eichen. Hildegard von Bingen hat ihn bereits in ihren Schriften verewigt. Pulverisiert und zu Reishi-Smoothie verarbeitet, führt er die Superfood-Hitliste an.

Chinesische Kraftsuppe vom Tegernsee

Mittlerweile bieten auch die TCM-Abteilungen deutscher Apotheken Kochrezepte mit Heilkräutern an. Anne Gim von der Wallberg Apotheke in Rottach-Egern am Tegernsee bestätigt den Trend. Sie selbst schwört auf die Heilkraft warmer Suppen, die sie auch für die eigene Familie köchelt. Mittlerweile arbeitet sie bereits mit über 50 Heilpraktikern und Ärzten in ganz Deutschland zusammen. Und seit sie das Rezept für die chinesische Kraftsuppe veröffentlichte, stieg die Nachfrage nach den exotischen Ingredienzien rapide an, sodass sie die getrockneten Kräuter für diese Suppe jetzt als küchenfertigen Mix zum Verkauf anbietet: https://www.tcm-tegernsee.de

Guten Appetit und auf gute Gesundheit!

Text: Gerd Giesler
Fotos: alice pasqual, unsplash; privat

Mit Resilienz Extreme meistern

Besondere Ausnahmesituationen erfordern besondere Kräfte, im Privatleben, als Führungskraft im Job, als Unternehmen oder weltumspannende Organisation. Resilienzforschung zeigt, wie man sich auf Extremsituationen vorbereitet und Lösungsansätze trainiert. Es gibt sogar eine Norm dafür: ISO 22316

Extremsituationen bedeuten Stress – im Privatleben genauso wie im Job: ein wichtiger Kunde springt ab und plötzlich klafft eine riesige Umsatzlücke. Hier den Mut nicht zu verlieren und stattdessen neue Umsatzquellen zu erschließen, gleicht einem Drahtseilakt in schwindelerregender Höhe. In einem anderen Fall ist Umstrukturierung angesagt. Die berufliche Zukunft steht auf der Kippe. Jetzt heißt es alte Zöpfe abzuschneiden und die Herausforderung anzunehmen.

Locker auf dem Drahtseil balancieren

Wer auf dem Seil balanciert, versucht diese Widrigkeit auszugleichen und in den ursprünglichen Zustand zurückzufinden. Bloß keinen Blick in die Tiefe riskieren. Er bedeutet Verunsicherung. Es geht darum dem Stress zu widerstehen, ihn an sich abprallen zu lassen, resilient zu sein (lateinisch: resiliare = abprallen). Resilienz als Strategie, um in Ausnahmesituationen ans Ziel zu kommen. Oftmals steht man nach der Herausforderung sogar besser da als vorher, weil die Überwindung von Hindernissen in der Regel noch stärker macht.

Bounce Forward – das Prinzip Resilienz

„Bounce forward“ nennt das Florian Roth vom Fraunhofer Institut für Innovationsforschung. Eine Eigenschaft die auch auf Materialien zutrifft, die nicht brechen, wenn großer Druck auf sie ausgeübt wird. Bambus ist so ein Material, das sich biegt im Sturm ohne zu brechen. In der Psychologie wird das Prinzip auf den Menschen angewendet. Mit Resilienz wird die innere Stärke eines Menschen bezeichnet.

Auf seine Fähigkeiten konzentrieren

Resiliente Menschen lassen sich nicht so schnell unterkriegen. Sie haben eine gewisse Widerstandsfähigkeit und können Konflikte, Misserfolge, Niederlagen und Schicksalsschläge wie Erkrankungen, Entlassungen oder den Verlust eines nahestehenden Menschen besser meistern als andere. Das gelingt Ihnen, weil Sie ein Netz aufgebaut haben, auf persönliche oder soziale Ressourcen bauen können und auf Extremsituationen flexibler und kreativ reagieren können. Das heißt nicht, dass resilient agierende Menschen unverwundbar sind. Sie besinnen sich jedoch relativ schnell auf ihre Stärken und Fähigkeiten mit traumatischen Erlebnissen umzugehen.

Innere Stärke trainieren

Resilienz ist in den wenigsten Fällen a priori gegeben. Sie kann erlernt und durch gezieltes Training auch gestärkt und spürbar verbessert werden. Das Prinzip Resilienz wird mittlerweile für viele Systeme angewendet, auch für Ökosysteme und intelligente Wirtschaftsräume. Sie sind im Idealfall in der Lage sich an Störungen im System anzupassen ohne sich in ihren grundlegenden Funktionen zu verändern. Das Abreißen von Lieferketten durch Katastrophen oder globale Krisen hat gezeigt, wie empfindsam und abhängig wir geworden sind und wie sehr uns solch resiliente Systeme in einer auf Profitmaximierung ausgelegten Welt fehlen.

Eine Pflanze ist Vorbild für die Widerstandsfähigkeit

Die bis zu 1000 Jahre alt werdende Pflanze Welwetschia Mirabilis ist ein Paradebeispiel in Sachen angepasster Widerstandsfähigkeit. In den unwirtlichen Küstenwüsten von Nambia und Angola wächst diese Pflanze trotz sengender Temperaturen von 40 Grad auf einen Durchmesser von bis zu drei Metern heran, indem sie sich nachts vom Tau des Küstennebels ernährt.

Das Resilienzverständnis intelligenter, lernender Ökosysteme kann mit ähnlich krassen Stresssituationen umgehen. In der psychologischen Resilienzforschung spielen solche Aspekte bei der Bewältigung posttraumatischer Reifungsprozesse eine Rolle, die auf eine psychische Immunabwehr setzt. In resilienten Systemen schafft man Puffer und Redundanzen. Fällt eine Niere aus, springt die andere ein und schafft das gleiche Pensum, so ist dies beim menschlichen Organismus gelöst.

In einer Wirtschaftskrise sollte es keinen Domino-Effekt geben, wenn ein wichtiger Player ausfällt. Dazu müssen Übertragungswege gekappt werden können. Das erklärte Ziel: handlungsfähig bleiben.

Eine ISO-Norm für resiliente Organisationen

Die Belastbarkeit von Konzernen oder global vernetzter Organisationen hängt am Business Continuity Managment und der Risikobewältigung. Dabei spielt das Ergebnis des Zusammenspiels von Merkmalen und Maßnahmen sowie Beiträgen verschiedener Führungsfachgebiete eine entscheidende Rolle. Alle werden durch drei Faktoren maßgeblich beeinflusst: durch den Umgang mit Unsicherheiten, die Art der Entscheidungsfindung und der Qualität der Zusammenarbeit in der Belegschaft.

Damit Organisationen auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben wurde die ISO 22316 ins Leben gerufen. Sie basiert auf Prinzipien, auf denen ein organisationales Resilienz-Management aufgebaut ist, Elementen einer resilienten Organisation und Leitfäden zur Entwicklung dieser.

„Resilienz ist kein Zufall. Man kann sie strategisch planen. Fünf Phasen gehen fließend ineinander über: Prepare, Prevent, Protect, Respond und Recover“. Dr. Alexander Stolz, Resilienzforscher am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik

Text: Gerd Giesler
Fotos: istock // Datum: 01.03.2021

Nachhaltige Architektur der Marke Euroboden

Stefan F. Höglmaier gründete mit Euroboden die erste Architekturmarke der Immobilienbranche. Dabei setzt er mit ambitionierten Architekten auf nachhaltige Immobilienentwicklung mit urbaner Architekturkultur. 

Das Hammerschmidt in München-Dornach

„Man kommt mit seinem Elektrofahrzeug nicht im Dunkeln an, sondern im hellen Tageslicht. Man blickt auf sattes Grün, das die Gebäude organisch durchwächst, läuft sportlich auf großen Freitreppen, oder fährt ganz entspannt in lautlosen Fahrstühlen aufwärts. Dann geht man in das Outdoor-Gym auf der Dachterrasse, nimmt einen ersten Kaffee mit Blick auf Wasser und Weite oder plauscht mit Morgenmenschen, die eines eint: sie alle lieben diesen Ort, sie alle lieben ihr Hammerschmidt“.

Stefan F. Höglmaiers Augen beginnen jungenhaft, fast visionär zu strahlen. Lebensraum neu zu denken ist seine Leidenschaft. Dabei setzt der Nonkonformist auf nachhaltige Architektur um identitätsstarke Unikate co-kreativ zu schaffen. Das Hammerschmidt Bürogebäude in Dornach westlich von München ist eines seiner aktuellsten Objekte, in das er mit seiner Firma Euroboden Architekturkultur 2022 selbst einziehen wird.

Offene Gebäudeplanung am „Rohdiamanten“

In München-Riem, dort wo Natur und Stadt zusammenwachsen, ist er fündig geworden und hebt mit dem Hammerschmidt auf, was jahrzehntelang Manifest war: die strikte Trennung zwischen Arbeiten und Leben. Wo andere saturiert abwinken, juckt es Höglmaier förmlich unter den Fingernägeln: „Das Interessante ist immer, in einem langweiligen oder gar schwierigen Grundstück einen Rohdiamanten zu sehen. Anstatt mit einer vorgefertigten Idee, die man aus der Schublade zieht, ranzugehen, sollte man offen für Visionen sein. Denn mit guter Architektur kann man auf jedem Grundstück ein herausragendes Projekt entwickeln“.

Höglmaiers Euroboden

Schon als Teenager schwärmte der 1974 in München geborene Lehrersohn eher von schnittigen Fassaden als von schnellen Autos. Noch während des Abiturs reüssierte er in einem Immobilienvertrieb. Einziges Manko: schon damals störte ihn, wie wenig Platz in der Branche für gute Architektur ist. So gründete er mit 24 die eigene Bauträgerfirma Euroboden mit eigenem Credo: Zum ganzheitlichen Denken, das Architekturkultur letztlich ausmacht, gehöre „der gemeinsame Dialog zwischen Bauherr und Architekten von Anfang an“.

Heute zählt seine Firma längst zu den führenden Entwicklern von städtebaulich anspruchsvollen Immobilien im deutschsprachigen Raum mit teils spektakulären Projekten. Er realisiert sie mit ausgewählten Architekten wie Jürgen Mayer H., David Chipperfield, Peter Haimerl, David Adjaye oder Thomas Kröger. „Wir eifern dabei nicht einer bestimmten Ästhetik nach, sondern suchen uns den richtigen Partner, der unsere Vision teilt und der so tickt wie wir in punkto Mindset“.

Das Hammerschmidt Café auf Deck 1 zum Relaxen für die Mitarbeiter der Büros.

Universell handeln mit nachhaltiger Architektur

Fließen dabei ökologische Gesichtspunkte mit ein? „Dass man mehr als nur Zahlen und Exceltabellen im Kopf haben muss, ist für mich selbstverständlich. Wir agieren sowohl auf Projektebene, als auch in unserer Unternehmenskultur im Kern sinnstiftend und entwickeln nachhaltige Objekte, egal um welche Bauaufgabe es sich dreht. Nachhaltigkeit sehen wir umfassend. Nachhaltig ist für uns nicht nur die wärmegedämmte Kunststoff-Fassade, nachhaltig handeln heißt universell zu handeln.“

In der Tat: Rund 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs und ein Drittel des globalen CO2-Ausstosses ist der Bauwut der Menschheit geschuldet. Im Rahmen der Kreislaufwirtschaft stellt die Amsterdamer Lendager Group sogenannte „Upscale Houses“, Familienhäuser aus fast 100-prozentig recycelten Baumaterialien her.

Wichtig: Umnutzung und Re-Use

Stefan F. Höglmaier: „Baustoffe sind nur ein Thema von vielen. Wir sehen das weiter gefasst. Nicht nur die Recyclingfähigkeit von Häusern, sondern auch und vor allem Umnutzung und Re-Use spielen eine große Rolle. Es geht um die Lebensdauer eines Gebäudes und um die Analyse der Qualitäten von Bestandsbauten. Wir wollen die graue Energie, also die Energie, die für Herstellung, Transport und Bau sowie eventuell Abriss in ein Gebäude geflossen ist, besser und sinnvoller nutzen.sind aber auch soziale Aspekte, die uns interessieren.

Da ist die Ästhetik von Architektur und ihre Wirkung auf die Bewohner und die unmittelbare Nachbarschaft. Und da ist die Kommunikation, die Architektur schaffen kann in Form von Grün, von Begegnungsflächen bis hin zu flexiblen Nutzungsmöglichkeiten, wie Work-Life- und Sharing-Konzepten. Alles Faktoren, die auch stark in das Thema Nachhaltigkeit einzahlen.“

Qualität ist entscheidend

Höglmaier kann viel anfangen mit Kultur und Nachhaltigkeit. Mit dem Wort Luxus indes tut er sich schwer. Vor allem wenn dieser als Etikett herhalten muss für alles, was am Markt einfach nur teuer ist. Wenn er den Begriff gelten lässt, dann eher im Sinne der Qualität, die durch gute Architektur geschaffen wird. Und dieser Luxus kann sich in einer bezahlbaren 50-Quadratmeter-Wohnung ebenso zeigen, wie in einem zeitgenössischen Stadtpalais oder in einem revitalisierten Bauernhof.

Dieser Artikel erschien in PURPOSE, dem brandneuen Magazin für Sinnhaftigkeit, herausgegeben von Marcus Vitt, Vorstandssprecher der Donner und Reuschel Privatbank, und Dr. Hans Christian Meiser, Journalist und Philosoph, konzipiert von Journal International The Home of Content. Hier finden Sie viele weitere Beiträge visionärer Persönlichkeiten zu wichtigen Fragen unserer Gegenwart und Zukunft, zu Werten, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl:

https://www.purpose-magazin.de

Text: Gerd Giesler
Fotos: Euroboden // Datum: 29.01.21

Trade Republic: Wertpapierhandel via Smartphone

Fonds, ETFs und Derivate kostengünstig und unkompliziert handeln – der mobile Broker Trade Republic hat in Deutschland einen Nerv getroffen. Und es gibt schon zahlreiche Konkurrenten.

Das neue mobile Trading

Schnell mal zwischen Büro und Yogastudio eine Aktie ordern. Kurzer Blick aufs Portfolio am See, um abzuwägen, wie man kurzfristig umschichten könnte. Trading geht heute auch mobil. Aktien, Fonds oder Derivate lassen sich via Smartphone kaufen wie T-Shirts oder Sneakers. In Zeiten niedriger Zinsen und einer gesetzlichen Rente, auf die sich niemand mehr verlassen will, sind börsennotierte Anlagen auch für eine junge Zielgruppe interessant. Besonders Exchange Traded Funds (ETF) erfreuen sich steigender Beliebtheit. Doch gerade Finanzlaien begegnen auf dem Weg zum Depot vielen Fragen: Welche Wertpapiere passen zu meinem Risikoprofil? Welche Kosten sind angemessen? Warum ist das Einrichten des Depots so aufwendig? Das Start-up Trade Republic verspricht, diese Probleme zu lösen. Es ist nach eigener Aussage der erste deutsche Börsenmakler, der die Möglichkeit bietet, provisionsfrei auf dem Smartphone mit Aktien und ETFs zu handeln.

Günstig und unkompliziert

„Zentraler Bestandteil unserer Geschäftsidee war von Anfang an, den Wertpapierhandel zu demokratisieren“, erklärt Mitgründer Christian Hecker. Statt der üblichen Gebühren fällt lediglich eine Fremdkostenpauschale von einem Euro pro Handelsgeschäft an. Geld verdient das Start-up dadurch, dass Broker von ihren Partnern eine Provision erhalten, wenn sie Wertpapiere vermitteln. Bei Trade Republic reicht diese zur Finanzierung aus, da das Unternehmen aufgrund moderner IT sehr günstig arbeitet. „Der geringe Anteil an manuellen Schritten durch den hohen Grad an Automatisierung bei Trade Republic schafft wesentliche Kostenvorteile“, erklärt Hecker. Die Hälfte der rund 50 Mitarbeiter arbeite an der IT-Entwicklung.

Die intuitiv bedienbare Nutzeroberfläche der Software soll das Investieren vereinfachen. In weniger als zehn Minuten sollen Kunden ein Depot eröffnen können. „Unsere App bietet ein völlig neues Nutzungserlebnis beim Handeln: Sie ist sehr übersichtlich gestaltet und man findet die wichtigsten Infos auf einen Blick“, erklärt Hecker. Dafür soll die personalisierte Timeline sorgen. Zudem lassen sich die automatische Abführung von Steuern, Suchfilter und Preisalarme aktivieren. Für die Handelszeit von 7.30 bis 23 Uhr dürften Menschen mit langen Arbeitszeiten dankbar sein.

Die Gründer Marco Cancellieri, Christian Hecker und Thomas Pischke (v. l. n. r.) in den Büros von Trade Republic in Berlin.

Start-up mit tiefem Know-how

Im Jahr 2011, auf der Rückreise von einem Uni-Seminar in München, lernt Christian Hecker Thomas Pischke kennen. Vier Jahre später arbeitet Hecker im Investment Banking, Pischke für ein FinTech. Bei einem Gespräch über die eigene Geldanlage entsteht die Idee für Trade Republic, vermutlich nach dem Vorbild des 2013 gegründeten US-Brokers Robinhood. Bei einem Hackathon, einer Art Soft- und Hardware-Entwicklungs-Veranstaltung, trifft Pischke Marco Cancellieri. Während dessen Studium der Medieninformatik hatte er mehrere App-Projekte geleitet, mit denen er Programmierwettbewerbe gewann. Schon am nächsten Tag beginnt Cancellieri, den Prototypen einer Broker-App zu entwickeln.

Im Herbst 2015 steht der Entschluss: Die drei wollen ein Start-up gründen. Etwa ein halbes Jahr, nachdem Robinhood an den Start gegangen ist. Wie so viele erfolgreiche Gründungen aus dem Silicon Valley hat auch Robinhood eine internationale Expansion im Sinn. Es gilt also, keine Zeit zu verlieren. 2017 gewinnen die Gründer die Sino AG, einen Börsenmakler für Vieltrader, als strategischen Investor. „Damit hatten wir einen Partner an der Hand, der von vornherein das Marktpotenzial des mobilen und provisionsfreien Aktienhandels erkannt hatte und gleichzeitig über langjähriges und tiefes Know-how im Bereich Brokerage verfügt“, erklärt Hecker. Heute sind Ingo Hillen, Geschäftsleiter der Sino AG, sowie Justiziar Karsten Müller Teil der Geschäftsführung von Trade Republic. „Ingo und Karsten verstärken das Gründerteam mit ihrer langjährigen Erfahrung bei der Leitung eines Finanzdienstleisters“, erklärt Hecker.

Diese war Voraussetzung, um eine Banklizenz zu erhalten. Kein leichtes Unterfangen für FinTechs mit meist jungen Mitarbeitern, denn das deutsche Kreditwesengesetz verlangt neben ausreichend Anfangskapital (mindestens 5 Mio. Euro) auch die fachliche Eignung der Inhaber oder Geschäftsleiter. Dazu gehört u. a. Leitungserfahrung, also eine mindestens dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Institut vergleichbarer Art und Größe. Trade Republic erhielt im Dezember 2018 die Banklizenz.

Die Konkurrenz schläft nicht

Der US-Broker Robinhood ist zu diesem Zeitpunkt schon einige Schritte weiter. Nach fünf Jahren kann er bereits über sechs Millionen Kunden verzeichnen. Und auch in Deutschland gibt es Konkurrenten. Im Oktober 2019 ging Justtrade an den Start, das sogar ohne Fremdkostenpauschale arbeiten will. Einen Monat später der Gratisbroker. Der Unterschied zu Trade Republic: Beide haben bisher keine ETFs im Angebot und Voraussetzung für Transaktionen ist eine Mindestorder in Höhe von 500 Euro. Verkäufe können auch darunter liegen, sofern der Vermögenswert komplett aufgelöst wird.

Das Angebot wird ausgebaut

Bereits im Januar 2019 nahm Trade Republic Interessenten auf einer Warteliste auf. „Damit haben wir einen reibungslosen Start gewährleistet“, erklärt Hecker. Vier Wochen später konnten sie mehrere Tausend Konten freischalten. Im Mai wurde die Warteliste abgeschafft, seitdem kann jeder sofort ein Depot eröffnen. Anfangs können Anleger mehr als 6.100 Aktien und über 250 ETFs kaufen. Als elektronischer Handelsplatz dient die Börse Hamburg. Die Spreads, also die Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis, sind an den Referenzmarkt XETRA gebunden. „Wir haben unser Angebot seit dem Marktstart im Januar 2019 bereits kontinuierlich ausgebaut“, sagt Hecker. Seit dem Sommer 2019 sind Derivate handelbar, insbesondere Optionsscheine und Knock-out-Produkte. Damit können Anleger kurz gesagt auf Preisveränderungen spekulieren, ohne das Wertpapier selbst zu kaufen.

Die Anzahl der Aktien liegt inzwischen bei 7.300, der ETFs bei 500, der ETF-Sparpläne bei über 300 und der Derivate bei 40.000. „Durch das digitale Geschäftsmodell profitieren wir davon, unser Angebot schnell und einfach um neue Features und Anlageklassen ergänzen zu können. Der enge Austausch mit unserer Community ermöglicht es uns, unser Angebot nah an den Kundenwünschen weiterzuentwickeln“, erklärt Hecker. Möglich war der Ausbau des Produkts aber natürlich auch aufgrund der zehn Millionen Euro Kapital, die das Start-up einsammeln konnte. Beteiligt waren etwa der Risikokapitalinvestor Creandum sowie der Berliner Kapitalgeber Project A.

„Unser Mittelfristziel ist es, das Synonym für mobilen Wertpapierhandel in Europa zu werden. Darüber hinaus möchten wir uns als erste Adresse für kapitalmarktorientiertes Sparen und Handeln etablieren“, sagt Hecker. Dafür werde das Angebot nun weiterhin Schritt für Schritt ausgebaut.

Frisches Kapital für große Ziele

Trade Republic hat inzwischen über 100.000. Kunden, das verwaltete Kundenvermögen beträgt über 200 Millionen Euro. Der Branchenblog „Payment and Banking“ hat Trade Republic als Newcomer-FinTech des Jahres 2019 ausgezeichnet. Ein Jahr nach dem Markteintritt in Deutschland startete die Warteliste in Österreich. „Wir planen noch in diesem Jahr unseren Marktstart in mindestens einem weiteren europäischen Land.“, kündigt Hecker an. Konkurrent Robinhood bewegt sich derweil stärker in Richtung Europa, der Broker expandierte schon nach Großbritannien. Auch in Deutschland werde der Markt geprüft, wie das Online-Magazin „Finance Forward“ berichtet. Mit einer Facebook-Anzeige wurde das Anlageverhalten der deutschen Nutzer erkundet.

Ringen um Europa

Es dürfte ein zähes Ringen um die Vormachtstellung in Europa werden. Trade Republic konnte im April 2020 einen weiteren großen Erfolg und eine Art Ritterschlag der Finanzbranche vermelden konnte: Von renommierten VC-Investoren wie Accel oder Peter Thiels Founders Fund erhielt das Berliner FinTech 40 Mio. Euro. Frisches Funding-Kapital, das Trade Republic helfen wird, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen: zu einer europäischen Plattform für mobiles Sparen, Investieren und Handeln zu werden.

Text: Tanja Koch
Fotos: istock // Datum: 11.12.2020

Shopping in China: Schöne neue Shoppingwelt

In China boomt der Onlinehandel schon lange – und die kunstvolle Konsumwelt für sowohl luxuriöse wie unelitäre Einkaufserlebnisse in großen luftigen Centern. Ist Shopping wie in China auch für uns ein Modell mit Zukunft?

Typisch Shanghai

Ein altes Transistorradio spielt Charleston, Frauen und Männer tanzen dazu unter freiem Himmel im Xiangyang-Park, andere machen Tai-Chi. Schräg gegenüber windet sich die schwarz-goldene Fassade von Prada wie modernes Art déco an der Huanmao IAPM Shopping Mall in Shanghai empor. McQueen, Gucci, Vuitton … es gibt kaum einen Star der Modewelt, der nicht einen seiner Flagshipstores hier hat. Die Luft ist mit Designerdüften parfümiert.

Typisch China, typisch Shanghai: Die Zeit scheint an manchen Stellen im letzten Jahrhundert stehen geblieben zu sein. Unter Stromkabel-Girlanden, die sich wild durch verfallende Häuserschluchten winden, sieht man auch noch Menschen in Mao-Jacken. Zugleich schießen an pariserisch boulevardesquen Prachtstraßen gleißende Skyscraper in die Höhe, nicht nur einer, unzählige moderne Konsumtempel reihen sich aneinander, höher, größer und bunter blinkend als in jeder europäischen Metropole. Eine gigantische Konsumwelt. Allein die Einkaufsstraße Nanjing Lu ist rund zehn Kilometer lang.

Chinesen lieben europäische Luxuslabels

Die starke Ober- und gehobene Mittelschicht Chinas besteht in erster Linie aus einer zahlungskräftigen, jungen Generation, die Luxusmarken liebt. Laut einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2019 geben chinesische Konsumenten jährlich 73 Milliarden Dollar für Luxuswaren aus, das ist fast ein Drittel des Weltmarktes. Während Ware aus China in Europa oft als billig gilt, wird in der Volksrepublik selbst schnell deutlich, wie ausgeprägt das Bewusstsein für bewährt starke Marken ist. Vor Chanel stehen chinesische Frauen und Männer auf langen roten Teppichen an – ja, auch Männer zeigen sich im Straßenbild der Städte auffallend modebewusst!

Shoppen per QR-Code

Der italienische Luxuskonzern Prada eröffnete in den vergangenen Jahren 81 Läden in China – ein Modeimperium, das in der Volksrepublik eine Präsenz zeigt wie hierzulande nur Modehersteller wie H&M. Und nicht nur in den Metropolen wie Hongkong und Shanghai, die seit dem ersten Opiumkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts vom Handel mit dem Westen geprägt sind, boomt das Geschäft des italienischen Schuh- und Taschenproduzenten. Auch in Städten wie Xi’an in der zentralchinesischen Provinz Shaanxi ist Prada auf dem Vormarsch.

Es braucht auch nicht viel für die Eröffnung eines Geschäfts. Bei Moncler läuft eine Puppe mit einer Jacke durch das Schaufenster, als wäre sie der erste Mensch auf dem Mond. Und auch große Lagerbestände sind nicht nötig. Chinesische Kunden fassen die Ware gerne mal an, mehr nicht – lieber per QR-Code bezahlen und nach Hause kommen lassen, als sie durch Dutzende Stockwerke und die Milliarden-Einwohner-Stadt zu schleppen. Shopping in China ist ein kulturelles Event geworden.

Neue kunstvolle Lebenswelten

Der Hongkonger Unternehmer Adrian Cheng, 40, hat die Entwicklung schon vor über zehn Jahren erkannt und die Kette K11 gegründet. Das Konzept seiner riesigen Shoppingmalls: Kunst und Kommerz. Cafés nicht zu vergessen. Cheng studierte in Harvard, lebte in Japan, bevor er damit begann, etwas „für die Bildung der Bevölkerung“ zu tun: Er verknüpfte Läden mit Räumen und Plattformen für Künstler. Das erste K11 in Hongkong ist in der Hauptsache Museum. Zudem fühlt man sich beim Blick zum Deckengewölbe wie in einer modernen Kathedrale.

Die K11 Art Mall in Shanghai verbindet die Kunst noch deutlicher mit den neuesten Trends der weltweiten Luxusmarken zur Shoppingtour mit Kunstgenuss, ganz im Sinne Andy Warhols: „All department stores will become museums, and all museums will become department stores.“ Auch das Pekinger Galaxy Soho der Stararchitekten Zaha Hadid und Patrick Schumacher zeigt eine Einkaufs- und Arbeitswelt, in der alles ineinanderfließt. Es war Hadids erstes Shoppingcenter, ein imponierendes Beispiel ihrer architektonischen Kunst, das den Menschen ein einzigartiges Shoppingerlebnis bietet und trotz der luxuriösen Warenwelt und Vielfalt unelitär demokratisch rüberkommt – jeder kann hier sein, egal, ob er einkauft oder nur staunend Rolltreppe fährt, und hat dabei richtig viel Platz.

Futuristische Architekturen

Auch die 10-Millionen-Metropole Hangzhou, die einstige Kaiserstadt Südchinas am idyllischen Westsee, ist stolz auf ihre Mega-Einkaufserlebniswelt. Das Raffles City Shopping Centre entstand auf dem Computer des Niederländers Ben van Berkel, eine futuristisch anmutende Architektur wie von einem anderen Stern. Die Hunderte Meter hohen Shopping-, Wohn- und Arbeitstürme haben noch immer Öffnungen, durch die riesige Drachen fliegen könnten!

Andererseits lieben chinesische Kunden es, nicht nur schöne Dinge, sondern auch frisch zubereitete, warme Speisen nach Hause oder an den Arbeitsplatz zu ordern. Dementsprechend steht bei Shopping in China der analogen Erlebniswelt ein riesiges Onlineangebot gegenüber. Der Online-B2B-Marktplatz Alibaba.com aus Hangzhou entwickelte sich in den letzten Jahren zum größten der Welt. Den Wettbewerb für den neuen AliCloud Valley Office Park gewann übrigens das Düsseldorfer Architekturbüro HPP. Norman Foster + Partners wiederum gestalten die Büros von Alibaba Shanghai mit viel Glas, um Einblicke in die Welt von Alibaba zu ermöglichen.

Shopping in China: Homeservice boomt

Doch nicht nur Alibaba, die gesamte Homeservice-Branche boomt. Die Prognosen von Goldman Sachs für das Volumen des chinesischen Onlinehandels liegen bei fast 1,7 Billionen US-Dollar. Ohne die technisch ausgefeilten Bezahlplattformen geht dabei nichts mehr beim Shopping in China. Die riesigen E-Commerce-Geschäfte von Alibaba und Tencent würden ohne sie nicht funktionieren. Aber auch U-Bahn, Leihfahrräder, Stromrechnungen und das Gemüse auf dem nahen Bauernmarkt werden meistens per Handy bezahlt.

Alipay (2004 gegründet) und WeChat Pay (2015) sind die Platzhirsche unter den heute mehr als 200 Bezahlplattformen. 80 Prozent der Milliardenumsätze entfallen auf die beiden Großen, die jeder rund eine halbe Milliarde Kunden zählen. Alipay gehört Alibaba, WeChat Pay dem Internet-Riesen Tencent.

Bargeld ist fast abgeschafft

Bargeld ist nicht erst wegen der Pandemie Geschichte. Jetzt sind nichtmal mehr die europäische Touristen da, die es auf den bunten Märkten gerne nutzten. Selbst die freundlichen Schneiderinnen, Medizinhändler am Straßenrand und Taxifahrer mit ihren Handydisplays an den Windschutzscheiben strecken ihren Kunden ein mobiles Zahlgerät entgegen.

Wer nicht auf den anachronistischen Moment verzichten möchte, mit dem Volksgeld Renminbi zu zahlen, tut das möglichst passend Yuan für Yuan. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Verkäufer kein Wechselgeld herausgeben kann. Die Chinesen haben zwar einst das Papiergeld erfunden, aber jetzt sind Registrierkassen und Bargeldschubladen fast abgeschafft – eine stille Revolution ohne Aufstand.

Text: Karen Cop
Fotos: istock // Datum: 03.11.2020

Die Perlen von Corvara

Die Beschleunigung der Sehnsucht nach Authentizität und Regionalität fordert ganz neue Hotelkonzepte. Ein Besuch in Südtirol bei den Brüdern Costa, die im La Perla und dem Berghotel Ladinia auf wahre Werte statt austauschbare Trends setzen.

Herzblut statt Coolness: La Perla und Ladinia

Zimmer mit Ausblick, Küche und Keller vom Feinsten, SPA und Hallenbad, die Bergbahnen vor der Nase – solche Hotels gibt es in Südtirol viele. Doch mit seinem ungewöhnlichen, ganzheitlichen Nachhaltigkeitskonzept fallen das La Perla und die kleine Schwester, das Berghotel Ladinia, in Corvara gänzlich aus dem Rahmen. Statt auf Coolness, fernöstlichen Purismus und andere austauschbare Trends, setzt die Hoteliersfamilie Costa auf wahre Werte und trifft damit den Nerv einer neuen Zeit.

Das 2655 Meter hohe Sassongher Bergmassiv inmitten der grandiosen Bergwelt ist das Wahrzeichen von Corvara im Gadertal und entschädigt etwas dafür, dass der Ort viel von seiner Ursprünglichkeit zugunsten des internationalen Tourismus eingebüßt hat. Mit den Seilbahnen Col Alto und Boe erschließt sich nicht nur ein Wanderparadies, Radfahrer finden auf dem Rückgrat von Dolomitenpässen atemberaubende 360-Grad-Panoramen und Wintersportler Anschluss an den weltberühmten Skizirkus Sella Ronda.

Das Hotelkonzept der Costa-Brüder

Im La Perla steht nicht mehr und nicht weniger als das Wohl der Gäste an erster Stelle. Das ist total ernst gemeint und fast so etwas wie eine Philosophie. Behutsam haben die beiden Inhaber-Brüder Mathias, als perfekter Gastgeber, und Michil, der virtuos-kreative Kopf, das ehemalige Skihotel mit dem Charme der späten 90er Jahre zu einer luxuriösen Komfortzone weiterentwickelt. Damit kreierten sie einen unverwechselbaren Stil, der seinesgleichen sucht.

Einen Vorgeschmack davon vermittelt schon die sehr persönliche und witzige Homepage der beiden Häuser. Neue Gäste spüren das schon zum Auftakt, zum Beispiel beim Aperó, der immer donnerstags vis-á-vis in der Ciasa Vedla stattfindet, dem Geburtshaus von Ernesto Costa, das im 15. Jahrhundert erbaut wurde.

Gerstensuppe statt Kaviar in Corvara

Eine „Zeitreise“ titulieren seine Söhne diesen Empfang und man muss sich bücken, wenn man über knarzende Holzdielen von Stube zu Stube wandert – nichts wurde verändert. Hier urige Haushaltsgeräte, dort altes Gewand oder ladinisches Kinderspielzeug. Zu diesem Heimatkunde-Ausflug in die vortouristische karge und entbehrungsreiche Zeit im Hochabteital reichen Mathias und Ehefrau Petra anstelle von Schampus und Kaviar, Südtiroler Wein, kleine Käseknödel, die sogenannten „Bales“ und Gerst’l-Suppe.

Gern erzählt wird dann die Story vom Vater, der frühmorgens noch im Winterdunkel das Waschwasser in der Emailleschüssel gefroren vorfand. Wie anheimelnd geht es dagegen jetzt im Restaurant vom Berghotel zu, wo liebevolle Details wie zu Serviettenringen umfunktionierte Backförmchen oder Sektkorken als Messerbänkchen auf ein Dinner zu zweit oder mit Freunden einstimmen.

Einen Baum für das Gemeinwohl stiften

Im „La Stüa de Michil“ steht Chefkoch Nicola Laera an den Töpfen und Pfannen und kredenzt für maximal 34 Hotelgäste apulisch-ladinische 1-Sterneküche. Gänsestopfleber oder andere, ethisch nicht ins Konzept passende Delikatessen sucht man vergeblich auf der Speisekarte. Und wer dem Fleischkonsum gänzlich entsagen möchte (aber natürlich nicht muss!) und ein veganes Menü bestellt, tut etwas Gutes für die hiesige Natur und darf einen Baum adoptieren. Nach dem verheerenden Sturm Vaia, dem 2018 über 100.000 Nadelbäume zum Opfer fielen, soll damit auf das Wiederaufforstungsprojekt von WOWnature aufmerksam gemacht werden. Es gibt sogar ein Zertifikat und der Gast kann sich bei seinem nächsten Besuch im La Perla selbst ein Bild davon machen, wie sein gepflanzter Baum gedeiht.

Doch das geht den Costa-Brüdern nicht weit genug. Deshalb haben sie die Costa Family Foundation ins Leben gerufen, um das Leid in Togo, Uganda, Äthiopien sowie Indien und Nepal durch 14 sehr konkrete Hilfsprojekte zu lindern. Bei ihrem eigenen Hotelbetrieb setzen die Brüder auf die Gemeinwohlökonomie des österreichischen Vordenkers Christian Felber. Dabei geht es natürlich um Nachhaltigkeit und den behutsamen Umgang mit Ressourcen. Aber auch verstärkt um Vertrauen, Wertschätzung, Solidarität, Kooperation und das Teilen.

Gastfreundschaft, die von Herzen kommt

Der Hotelgast wird als Individuum gesehen und nicht als Kreditkartenträger wie anderenorts. Der ganzheitliche Ansatz bezieht dabei die Zulieferketten der Hotellieferanten genauso mit ein wie die Mitarbeiter. Wichtige Entscheidungen werden immer im Team getroffen. Dieses Maß an Mitverantwortung und Wir-Gefühl führt zu einer viel authentischeren Gastfreundschaft, einer, die von Herzen kommt. Das spürt man trotz Maske, denn die Mitarbeiter lächeln mit den Augen.

Den in Gang gekommenen Wertewandel im Gastgewerbe lebt man hier schon sehr lange. Da war Corona noch ein Fremdwort. In den Zimmern und Suiten heißt eine handgeschriebene Karte den Gast willkommen. Der muss auch nicht immer „on“ sein, wenn er durch den romantischen Kräutergarten bei der alten Mühle streift. Und beim Yoga vor der Kulisse der Dolomiten ist das notorisch-zwanghafte Verlangen, sich ständig selbst optimieren zu müssen, schnell vergessen.

Michil Costa mit Schulkindern des Hilfsprojekts in Nepal
Michil Costa mit Schulkindern des Hilfsprojekts in Nepal
Text: Gerd Giesler
Fotos: Gustav Villeit, Costa family foundation // Datum: 08.10.2020

Der postpandemische Konsument – was jetzt wirklich zählt

Was uns Corona abverlangt, wird nicht nur die digitale Transformation des Mittelstandes um ein Vielfaches beschleunigen, es wird unser Konsumverhalten auf Jahre hinaus grundlegend verändern. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die schon vor der Pandemie über einen entsprechenden digitalen Reifegrad und eine eingeübte Prozess-Kommunikations- und Analyse-Klaviatur verfügten, werden darauf schneller, direkter und wettbewerbsfähiger reagieren können als andere.

Es ist wichtig, die Kommunikation aufrecht zu erhalten

Wir sind alle nur Menschen und wir begreifen gerade, dass wir, wie (schon) Papst Franziskus in seinem einsamen Urbi et Orbi Segen auf dem menschenleeren Petersplatz verkündete, allesamt tatsächlich zum allerersten Mal in einem Boot sitzen, und doch mutterseelenallein sind. Die Krise zeigt, wie wichtig es ist, die Kommunikation aufrecht zu erhalten. „Keep the fire burning“ – ja es ist wie ein Lagerfeuer, an dem Freunde zusammen kommen, um sich zu wärmen und mit Gänsehaut Geschichten zu lauschen, die man jetzt einfach hören will.

Aufrichtige Wertschätzung und Verständnis

Empathie ist das Sehnsuchtsgefühl und nicht nur in schwierigen Zeiten eine der wichtigsten Fähigkeiten und kommunikativen Gaben, wenn es darum geht, Gefühle anderer behutsam nachzuvollziehen und sich so in sie hineinzuversetzen. Auch in der Customer Experience, dem spannenden Weg von der Äußerung eines Bedürfnisses bis hin zu seiner Befriedigung, wird man der Dünnhäutigkeit des Kunden nur durch aufrichtige Wertschätzung und Verständnis für seine neue Wahrnehmung der Dinge begegnen dürfen, wenn man ihn weiter behalten möchte.

Wenn Luxuskonzerne wie LVMH und Hermès Millionenbeträge aufbringen, um Masken und Desinfektionsmittel für Hotspots zu organisieren, wenn Marriott aus seinen Hotelküchen Krankenhäuser und Pflegekräfte versorgen lässt, dann ist das nicht Marketingkalkül, sondern Hilfe aus Betroffenheit. Weltmarken und Verbände zeigen in diesen Zeiten Understatement und teilen dieses „wir“-Gefühl mit ihren Kunden und Gästen.

Neue Distributionskanäle

Bei der täglichen TV-Berieselung ist mir die Besitzerin eines Spielzeuggeschäfts in Erinnerung geblieben, die in ihrer Verzweiflung über die Ladenschließungen ihre Schaufenster mit Fotos der Spielsachen und Bezugsinfos zukleisterte und so zumindest einen neuen, analogen Distributionskanal für Nachbarn und Passanten auftat.

Nichts anderes tun Händler, wenn sie Social Media nutzen, um Waren per Bild oder Video zu posten, oder DIY-Beiträge in Youtube einzustellen, oder zu Live-Chats und Webinaren einzuladen.

Digitale Messebesuche und Live-Chats

Der Kahlschlag der Messen, Veranstaltungen, Events und Feste erschüttert alle Branchen. Es ist, als dürfe man nicht mehr zeigen, was man hat und was man kann. Das trifft Deutschland als Export-Weltmeister besonders hart. Alle Veranstaltungen, die zunächst auf Mitte des Jahres verschoben wurden, sind komplett abgesagt oder vage auf die Jahre 2021 oder gar 2022 vertagt. Zwar kann man das Oktoberfest virtuell nicht klonen, aber es haben sich zumindest digitale Messebesuche international durchgesetzt, teilweise mit Live-Chat-Funktion. Durch den Wegfall der Uhren-Messen Baselworld und Watches & Wonders in Genf und anderer Luxusmessen schien gerade dieser Sektor wie gelähmt zu sein. Doch soeben punktet Cartier mit einer digitalen Manufaktur-Plattform, um seine Neuheiten zu präsentieren, und der Genfer Uhrensalon zog nach mit einer digitalen Bühne namens „Watches & Wonders“, auf der sich, so Messe-Chefin Fabienne Lupo, „die edelsten Uhren-Marken der Welt“ präsentieren dürfen. Hierzu zählen mehrheitlich die Stars des Luxusgüter-Konzerns Richmont mit Lange & Söhne, IWC und notabene Cartier.

Der post-pandemische Konsument

Dem Virus die Stirn bieten – geht das so einfach? Oder machen die großen Marken hier die Rechnung ohne den Wirt? Die Verbraucherstimmung ist mau, der GFK Konsumklima-Index auf Rekordtief. Das ist ein klares „No“ für den puren Absatz und ein Zeichen, dass die Marken jetzt Geschichten brauchen, die die Leute auch hören wollen. Doch nicht nur die Premium-Welt, sondern auch die breite Masse spürt Veränderung. Bisher analog agierende Bevölkerungsschichten freunden sich (not-gedrungen) mit Alltags-Digitalität an. Vor allem ältere Menschen, die bislang eher abwinkten, finden durch Videotelefonie-Anbieter plötzlich den Ausweg aus häuslicher Zwangseinsamkeit, wobei sich Zoom dank kinderleichter Benutzerfreundlichkeit zum Primus dieses neuen Geschäftsfeldes mausert.

Verändertes Konsumverhalten durch die Corona-Pandemie

Nachhaltige Veränderungen durch Social Distancing, Homeoffice und neuer Verhaltensregeln führen auch zu verändertem Konsumverhalten. Von der neuartigen Verdeckung durch Mund-Nase-Schutzmasken könnten Kosmetikhersteller von Augen-Make-Up profitieren. Überhaupt werden ganz neue Produkte und Dienstleistungen in enger Verquickung mit digitalen Tools und hohem Automatisierungsgrad durch Künstliche Intelligenz auf den Markt kommen.
Der post-pandemische Konsument 4.0, dem Home- oder Küchen-Office lieb geworden ist, wird dem Cocooning weiter zusprechen: in seinen eigenen vier Wänden renovieren, die Küche neu gestalten, der videogestützten Home-Fitness weiter frönen, sowie Lieferdienste und Abo-Modelle in Anspruch nehmen. In diesen Geschäftsbereichen dürften auch maßgeblich einige Treiber des Wiederaufschwunges zu finden sein.

Finanzanbieter und Banken müssen sich wandeln

Bei Finanzanbietern und Banken wird erhöhter Kommunikationsbedarf von Nöten sein, um gegen die allgemeine Verunsicherung von Kunden vorzugehen und sich in bestehenden Geschäftsbeziehungen glaubhaft als verlässlicher Partner zu positionieren. Dabei werden Bigtech-Unternehmen, als auch kleine, agile Fintech Start-Ups versuchen, den Etablierten das Wasser abzugraben. Es heißt also dran zu bleiben am Kunden! Abwarten und Tee-Trinken ist das denkbar falscheste Signal. Gerade wenn der Umsatz ausbleibt, kann es sich letztlich auszahlen, sich auf ehrliche und authentische Weise bemerkbar zu machen.

Eine andere Sicht auf das Wesentliche

Zuerst wird die gute alte Globalisierung von China und den USA durch Embargo und Retorsion schwer demoliert, dann kommt ein Virus, das Lieferketten zerschneidet wie Seidenpapier. Bedeutet diese Entwicklung einen endgültigen Garaus für den grenzenlosen Handel? Wir werden sehen, worauf sich die Welt „danach“ besinnt. Eines aber scheint sicher: Wir werden das, was wir an Miteinander durch Distanz gewonnen haben, nicht mehr aufgeben wollen. Die Menschen werden eine andere Sicht auf das Wesentliche haben und auch anders miteinander kommunizieren. Wer das verinnerlicht, könnte gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Autor: Gerd Giesler
Fotos: Deutsche Börse AG, Leichtaus, iStock / Datum: 28.4.2020

Künstliche Intelligenz und die Märkte der Zukunft

Was bringt uns Künstliche Intelligenz? „Die Zeit zurück“, sagt Hans-Christian Boos, Gründer des auf KI und die Automatisierung intelligenten Verhaltens spezialisierten Unternehmen Arago. Seine KI-Plattform AI HIRO unterstützt Firmen im Bereich Prozessoptimierung. Ein Interview über ein menschlicheres Menschsein mit Maschinen.

Chris Boos, KI-Spezialist

Hans-Christian Boos ist 1972 in Konstanz geboren und IT-Unternehmer. Er gründete 1995 das auf künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen Arago. Seine KI-Plattform AI HIRO unterstützt Firmen bei der Optimierung ihrer Prozesse. Boos arbeitet zudem als Unternehmensberater, Vortragsredner, Business-Angel und ist Mitglied im Digitalrat der Bundesregierung.

Chris Boos, KI-Spezialist

In der Antike bedeutet „Deus ex Machina“ das Auftreten einer Gottheit, die das Problem löst. Kann künstliche Intelligenz quasi ex machina die drohenden Probleme unserer Zeit lösen, zum Beispiel das Global Warming aufhalten?

Nein, das glaube ich nicht, denn mit KI kann nicht grundlegend Neues gemacht werden. Man wendet Erfahrungen an. Ich denke, beitragen kann sie auf jeden Fall, weil es unsere Produktion im gesamten Wirtschaftskreislauf verbessert und ihn wesentlich effektiver machen wird. Das Per-se-Problem „zu viele Menschen verbrauchen zu viel Energie“ wird sich nur lösen lassen, wenn wir weniger Energie verbrauchen, die man klimaneutral gewinnt.

Brauchen wir im 21. Jahrhundert künstliche Intelligenz, um als Menschen menschlicher sein zu können?

Bedauerlicherweise ja! (lacht) Die Industrialisierung war ein Riesenvorteil für uns. Sie hat uns Wohlstand und ein längeres Leben beschert. Sie hat aber auch dafür gesorgt, dass wir immer mehr wie Maschinen arbeiten. Jetzt geben wir diese Arbeit zurück an die Maschinen, um uns wieder mehr auf das Menschliche zu konzentrieren: dass Menschen wieder verstärkt für Menschen arbeiten. Die Dienstleistung Service wird gewaltig ansteigen. Zum einen, weil Geld dafür frei wird. Zum anderen, da der Touchpoint zum Kunden sonst komplett auf Maschinen verlagert würde und man wesentlich weniger Alleinstellungsmerkmale hätte. Ein weiterer Punkt ist, dass wir endlich einmal unseren Innovationsstau auflösen können. Wir können es uns dann wieder leisten, dass Menschen nachdenken und kreativ sind und wieder Neues machen – auch, um die Probleme der Welt zu lösen.

Um auf menschliche Weise den Fortschritt voranzutreiben?

Ja, also: machen! Wir sind noch schlecht im Machen. Vor allem im Umsetzen von Neuem.

Wer KI ganzheitlich denkt, muss sich auch ethische und rechtliche Fragen stellen und die Auswirkung auf die Arbeitswelt bedenken. Amazon, Alibaba, Wirecard, Google, aber auch Airbnb nutzen längst KI, um im Wettrennen um Big Data ihre Wettbewerbsvorteile auszubauen. Brauchen wir klare Spielregeln und einen ethischen Kodex?

Wofür? Kein Mensch, der sich mit KI beschäftigt, würde sich ernsthaft dagegen verwehren, aber es wird schwer sein, Maschinen Ethik und Moral einzuhauchen. Das muss schon der Mensch übernehmen und danach handeln. Maschinen können das nicht.

Liegt darin nicht das Gefahrenpotenzial von KI? Als autonome Waffe in Krisenregionen zum Beispiel?

Aber auch die werden vom Menschen programmiert. Waffensysteme beschließen ja nicht, irgendjemanden umzubringen. Wir haben seit den 40er-Jahren die Möglichkeit, die Erde komplett zu zerstören, und haben das glücklicherweise noch nicht getan. Stetig werden unsere Waffensysteme besser. Menschen tun sich an, was man sich antun kann. Aber die Diskussion, ob man eine Genfer Konvention haben möchte oder nicht, findet bei den Menschen statt, nicht bei den Panzern. Es ist seltsam, diese Diskussion auf KI zu verlagern.

In Michael Endes „Momo“ stehlen die grauen Herren den Menschen die Zeit. Glauben Sie, dass KI eine Revolution der Weltwirtschaft bewirken wird, im Zuge derer rund 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung ihren Job verlieren werden und Unternehmen eine Menge Geld einsparen? Könnte so ein bedingungsloses Grundgehalt für jeden finanziert werden, das der Anthroposoph und dm-Gründer Götz Werner seit Jahren fordert?

Ich glaube, das bedingungslose Grundeinkommen kann höchstens ein Transmissionsmechanismus sein (Anm. d. Red: der Prozess, mittels dessen sich geldpolitische Entscheidungen auf die Wirtschaft auswirken). Menschen brauchen letztlich nicht nur Luft zum Atmen, sie brauchen auch Wind, der sie antreibt. Man sieht ja die Probleme bei Leuten, die nicht arbeiten und keinen Sinn mehr im Leben finden. Es wäre besser, wenn wir etwas Sinnerfüllendes tun würden. KI gibt Menschen die Zeit zurück, etwas Sinnvolles zu tun und nicht mehr nur an Effizienz gemessen zu werden, sondern an dem, was in der Summe herauskommt. Was uns fehlt, ist Zeit zum Nachdenken und die Möglichkeit, etwas auszuprobieren. Wir sind eher effizienzgetrieben, was nicht immer mit Effektivität gleichzusetzen ist. Wenn Maschinen unsere Arbeit automatisieren, heißt das nicht zwangsläufig, dass wir unsere Arbeit los sind, sondern dass wir etwas Neues tun. Arbeitslos wären wir nur, wenn wir heute schon alles täten, was notwendig ist. Das ist ja wohl nicht der Fall.

Woher kommt die Angst vor der künstlichen Intelligenz?

Ich glaube nicht, dass die Menschen Angst vor KI haben. Es ist vielmehr Angst vor der Zukunft. Im Grunde kommt sie daher, da viele Menschen in Wohlstand leben und sich nicht vorstellen können, dass die Zukunft noch besser werden könnte. Das Paradoxe ist, dass sie sich über die Gegenwart beschweren, an der sie auf der anderen Seite so hängen. Es gibt viele Gründe, warum man die Zukunft lieben sollte. Abgesehen davon, dass sie ohnehin unvermeidlich ist.

Lange Zeit haben deutsche Unternehmer gezögert, in Zukunftstechnologien wie Machine Learning und KI zu investieren. Laut der IDG Studie Deep Learning 2019 nutzen nun aber bereits 57 Prozent der Unternehmen diese Möglichkeiten. Wie wirkt sich das auf die Geschäftsentwicklung Ihrer eigenen Firma aus?

Natürlich ist der Hype eine positive Sache für Arago. (lacht) Wobei, was wir momentan ganz allgemein an angewandter KI sehen, gleicht ja eher selten dem strategischen Einsatz, mit dem Amazon oder Alibaba KI bereits nutzen. Es gibt in unserer Wirtschaft ganz viele Piloten, eher zaghafte Anwendungen von einzelnen Algorithmen. Da geht es leider immer noch in erster Linie um Effizienzsteigerung. Dafür müssten wir eigentlich nicht so ein riesiges Fass aufmachen und nationale Strategien entwickeln. Klar gibt es auch in Deutschland Unternehmen, die KI umfassend angehen. Noch ist das aber eher selten anzutreffen.

Der Finanzdienstleitungssektor setzt auf die Einführung smarter Technologien. Wie können Anleger von lernenden Algorithmen profitieren?

Ich glaube, dass zunächst im Backoffice viel automatisiert wird. Die vertrauensvolle Beziehung Mensch zu Mensch bleibt aber wichtig. Der Kunde würde sich nicht wohlfühlen, wenn er nur eine Wahrscheinlichkeitsnummer ist. Darüber hinaus werden ganz neue Produkte entstehen, da sich viel schneller wesentlich kompliziertere Dinge erfassen lassen. Das gilt ganz klar für den Handel mit Emissionsrechten, die gerade zuhauf auf den Markt kommen, die aber alle noch sehr durchschnittlich berechnet werden. Dank KI ist das jetzt auf Einzelbasis möglich. Das eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten, und es werden ganz neue Finanzprodukte entstehen. Das Entscheidende aber ist, dass der Finanzsektor eine Refokussierung auf den Kunden erleben wird.

Interview: Gerd Giesler
Fotos: istock; Portrait: Matt Greenslade/photo-nyc.com// Datum: 04.2.2020

Wer übernimmt die Firma? – Firmennachfolge regeln

Einen Nachfolger für das Familienunternehmen finden – ist das eine Mission impossible? Wann und unter welchen Umständen übernehmen Familienmitglieder? Einblicke in große Familienunternehmen und Studien sowie ein Gespräch mit Professor Arist von Schlippe über Kernherausforderungen, Mut, Vertrauen und krönenden Erfolg.

Die Unternehmensnachfolge ist Thema in 30.000 Familienbetrieben

Was haben Marc Fielmann, Ricarda Kusch, Fabian Kienbaum und Raoul Roßmann gemeinsam? Sie alle sind Töchter oder Söhne bekannter deutscher Familienunternehmen: Fielmann Brillen, Kusch + Co. Möbel, Kienbaum Personalberatungen, Rossmann Drogeriemärkte. Und sie stehen als positives Beispiel für den Generationswechsel. Laut einer Studie der Stiftung Familienunternehmen glauben zwei von drei befragten Unternehmerkindern, einmal den eigenen Familienbetrieb fortzuführen. Nicht immer ein leichtes Unterfangen. Nach wie vor laufen viele Nachfolgeregelungen schief, verbunden mit Krisen oder gar Insolvenzen. Formal geht es nur um einen Führungswechsel, doch verbirgt sich hinter der Kronprinzen-Regelung aus psychologischer Sicht oft ein komplexer Prozess, der Familie und Gesellschafter manchmal jahrzehntelang beschäftigt und in Atem hält.

Über die Hälfte regelt die Firmennachfolge innerhalb der Familie

Familienunternehmen gelten hierzulande nach wie vor als Jobmotor und Wachstumstreiber. Mit Wurzeln, die teils in die Frühindustrialisierung zurückreichen, bilden sie quasi das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft. Kein Wunder also, dass jährlich rund 30.000 KMU mit etwa 500.000 Beschäftigten zur Übergabe anstehen, weil ihre Eigentümer aus persönlichen Gründen aus der Geschäftsleitung ausscheiden. 18 Prozent der Familienunternehmen übergeben die Firma an ihre Mitarbeiter, 29 Prozent verkaufen ihr Unternehmen an Externe. Aber gut die Hälfte aller deutschen Familienunternehmen, so das Institut für Mittelstandsforschung, regelt die Firmennachfolge familienintern. Anders als in den USA, wo allein schon aufgrund der hohen Erbschaftssteuer die Devise „Jeder ist seines Glückes Schmied und fängt als Pionier bei null an“ gilt, ist die Firmennachfolge in Familienunternehmen in Europa und explizit in Deutschland auch Familienangelegenheit.

Arist von Schlippe

Die Firmennachfolge kann familiäre Konflikte auslösen

Der Psychologe, Publizist und Familientherapeut Arist von Schlippe, der seit 2005 den Lehrstuhl Führung und Dynamik von Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke hält, spricht von einer kontinuierlichen Kernherausforderung für Unternehmerfamilien. Er wundert sich, dass so viele Übernahmen ohne explizite Planung vonstattengehen – wider besseres Wissen und trotz der Flut an Beratungsliteratur. Aber Familiendynamik hat nicht nur immense Kraft, sie ist oft kaum zu durchschauen und schwer kontrollierbar. „Lieben und arbeiten“, die Freud’schen Eckpfeiler des menschlichen Glücks, geraten nur allzu leicht aus den Fugen, wenn im familiären Übergabeprozess zu den Themen Anerkennung, Wertschätzung und Lebensleistung ein emotionales Nitroglyzerin-Fläschchen nach dem anderen hochgeht. Von Schlippe spricht hier von einer psychologisch kritischen Masse: „Der eine sagt etwas, der andere fühlt sich total verletzt, schießt zurück und schon ist die Kettenreaktion im Gange.“ Oftmals scheuen selbst Unternehmerpersönlichkeiten mit reichem Erfahrungsschatz im Krisenmanagement und großem Weitblick derartige Operationen am offenen Familienherz. Sie leisten sich lieber strategische Blöße, indem sie die Nachfolgeregelung verdrängen und verschieben.

Die Paradoxien der Firmennachfolge

Dabei hat der Psychologe festgestellt, dass der Prozess sich schon sehr früh abzeichnet. Oft beginnt der Weg der Nachfolgeregelung bereits Jahrzehnte vor der Übergabe. Insbesondere bei der Kronprinzen- oder -prinzessinnen-Regel ist der manchmal reich an Stolpersteinen, Widersprüchlichkeiten und Paradoxien. Laut von Schlippe fällt der Grundstein oftmals bereits in die vorpubertäre Phase, in der Eltern den Nachwuchs eifrig dahingehend beobachten, ob er sich denn potenziell für die Nachfolge eignet. Dabei wünschen sie sich zugleich, dass die Kinder sich möglichst frei entwickeln und entscheiden. Tatsächlich aber wird dem Junior im Reifungsprozess zwischen 12 und 30 Jahren die Identitätsfindung nicht ganz leicht gemacht: „Wie kann ich wissen was ich will, wenn ich doch wollen soll, was ich muss?“

Häufig kommt es zu Konflikten zwischen alt und neu

Im Alter zwischen 20 und 40 Jahren kommt es dann – vor allem bei mehreren Nachkommen – zu der Weichenstellung: Wie ist die Firmennachfolge zu regeln? Wer soll denn überhaupt in die Fußstapfen treten? Wobei das Familieninteresse, „alle gleich bedenken zu wollen“, leicht mit dem Firmeninteresse „der Begabteste übernimmt allein die Führung“ kollidieren kann. Alte, ungelöste Konflikte kommen plötzlich an die Oberfläche, weil in der Familie kein vermeintlicher Konsens mehr aufrechterhalten werden kann. Ist dies entschieden, gibt es in der Phase, in der dann zwei Generationen im Unternehmen sind, erneut mögliches Konfliktpotenzial, diesmal direkt zwischen Senior und Junior unter dem Motto: „Du kannst dich im Unternehmen gerne verwirklichen, aber bitte so, wie ich es möchte.“ Von Schlippe nennt dies den „Ambivalenz-Rap“ in realer Endlosschleife: „Du lässt mich nicht ran – du bist nicht kompetent – du lässt mich nicht ran …“. Nicht selten wird, vor allem in mittleren Betrieben, der Kompromiss gewählt, dass der Senior den Abschied aus dem operativen Geschäft mit einem Aufsichtsposten im Haus verbindet, getreu dem Motto: „Ich gehe, ohne zu gehen.“

Welche Deeskalierungstools führen aus der Nachfolgefalle?

Nach Professor von Schlippe entspricht Uneinigkeit auf der Organisationsebene psychologisch gesehen der Ambivalenz. In Unternehmerfamilien, in denen die Kernentscheidung geklärt ist, zeichnet sich zumeist auch eine einvernehmliche Unternehmensnachfolge ab. Wenn Sohn oder Tochter qualifiziert und wirklich folgebereit sind, und der Altunternehmer für sich Perspektiven nach dem Ausscheiden entwickelt hat, wird auch in vielen Fällen in die Tat umgesetzt, was sich sonst in epische Länge zieht. Doch wenn die Nachfolgegeneration für wenig kompetent gehalten wird und das Ausstiegs-Szenario des Seniors eher Langeweile verheißen mag – was dann? Dann kommt es durch den Ambivalenz-Rap zu einer paradoxen Patt-Situation: Beide Seiten profitieren von den Ängsten des anderen und bewegen sich keinen Schritt aufeinander zu. Denn hinter der Behauptung „Ich würde ja schon, wenn du mich nur lassen würdest“ verbirgt sich gern Versagensangst. Und hinter dem Vorwurf „Ich würde dich ja gerne lassen, aber du bist noch nicht so weit“ steckt häufig ein tückischer Sumpf. Anders gesagt: Das Mindset des Patriarchen sieht Machtverlust, Leere und eigene Endlichkeit nicht vor, so von Schlippe.

Die DNA, um die Firmennachfolge erfolgreich zu regeln

Wir neigen dazu, Vorgänge, die uns sehr beschäftigen, reduzieren zu wollen und personenbezogen aufzurechnen. Doch wir müssen lernen zu verstehen, dass wir es mit hochkomplexen Zusammenhängen zu tun haben. Die Beteiligten können nicht nur Selbstoptimierung betreiben, sie müssen sich auf dem schwierigen Terrain umsichtig bewegen. „Wenn man es als Hauptaufgabe der Unternehmerfamilie ansieht, die Entscheidungsfähigkeit für das Unternehmen sicherzustellen, dann braucht es auf der persönlichen Ebene Entschiedenheit, bevor man in die konkrete Gestaltung der Nachfolge eintritt“, glaubt der Psychologe. Er beruft sich dabei auf folgende vier Bereiche: Bereitschaft, Mut, Kompetenz und Vertrauen. „Kein Generationswechsel gleicht dem anderen, doch sind für eine gelingende Firmennachfolge diese vier reflektierenden Aspekte so etwas wie die Ausgangsbedingung. Von dort aus können die Betroffenen gemeinsam den Schritt in eine neue Ära der Firmengeschichte wagen: die konkrete Firmennachfolge erfolgreich regeln.“

Firmennachfolge regeln

Text: Gerd Giesler
Fotos: getty // Datum: 14.11..2019

Luxuriös heiraten

Ausgefallene Feste auf höchstem Niveau zu verwirklichen lag Nadine Metgenberg schon länger. Dann begann die Hamburgerin „Fine Weddings“ zu starten und inszeniert seitdem absolute Traum-Hochzeiten, bei denen Paare luxuriös heiraten. Kein Wunder: Events zum Eheversprechen werden weltweit immer aufwändiger geplant.

Kann man sagen, dass luxuriös heiraten boomt – auch in Deutschland?

Es ist zwar noch nicht zu vergleichen mit den Hochzeiten zum Beispiel in Amerika oder in arabischen Ländern, aber ja, der Trend geht dahin. Hochzeiten werden immer aufwändiger geplant. Und werden dementsprechend teurer. Mit Fine Weddings & Parties GmbH sind wir ja in einer Nische unterwegs, in der Geld nicht der limitierende Faktor ist sondern Zeit. Unsere Kunden geben für ein tolles Fest gerne Geld aus, hinterfragen die Kosten aber auch.

Luxuriös heiraten

Wie entwickelt sich der Markt?

Zum Markt allgemein: Der Hochzeitsmarkt ist ein spannender, boomender Milliardenmarkt. Und er wächst kontinuierlich um ca. 5 bis 6 Prozent. In Deutschland finden pro Jahr über 400.000 Hochzeiten statt. Tendenz steigend. Statistisch gesehen, geben Paare rund 10.000 Euro für ihre Hochzeit aus. Und das Produkt „Hochzeit“ wird immer komplexer. Das Brautpaar kann heute aus einer ganz anderen Fülle an Dienstleistern schöpfen als noch vor 5 oder 10 Jahren. Und Social Media spielt eine Schlüsselrolle, denn eine Braut in Berlin sieht heute quasi in Echtzeit, wie in Sydney, New York, Mailand und Kapstadt geheiratet wird. Neben den großen Fashion Weeks gibt es mittlerweile eigene Bridal Fashion Weeks. Hier finde ich persönlich sehr spannend, den Erfolg libanesischer oder israelischer Designer zu beobachten.

Welche Trends prägen die luxuriösen Hochzeiten heute besonders?

Was ich beobachten kann, gerade für den Luxusbereich, sind drei Trends, die sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet haben: Zum einen hat sich die Dauer der Feierlichkeiten geändert. Wurde früher nur einen Tag lang gefeiert, sind es heute drei. Für uns heißt das normalerweise: eine Hochzeit dauert von Freitag bis Sonntag. Wir planen also nicht ein, sondern drei Events. Freitags ist die Ankunft und das Get-Together der Hochzeitsgäste, samstags die Trauung, das Gala Dinner und die anschließende Party, sonntags der Brunch und die Verabschiedung.
Zum anderen werden die so genannten Destination Weddings immer beliebter: Hochzeitsfeiern außerhalb des eigenen Heimatortes. Beliebte Ziele sind dafür Italien, Spanien oder Frankreich. Dadurch, dass wir international breit aufgestellt und Teil von EPIC sind, einem internationalen Netzwerk von professionellen Event- und Hochzeitsplanern, verfügen wir überall über die besten Kontakte. Auch wenn unser Firmensitz in Hamburg ist, die meisten Hochzeiten organisieren wir tatsächlich im Ausland bzw. außerhalb Hamburgs. Dass ein Hamburger eine Hamburgerin in Hamburg heiratet, ist bei uns die große Ausnahme. Und was wir noch feststellen, ist ein deutlicher Rückgang von kirchlichen Trauungen. 2 von 3 Kunden wählen eine freie Trauung.

Was inspiriert die Hochzeitspaare besonders?

Vor allem die Bräute sind viel auf Instagram und Pinterest unterwegs, um sich Inspirationen zu holen. Das merkt man. Zum Beispiel ist das Lichtermeer, wie es bei Influencerin und Unternehmerin Chiara Ferragni (16,4 Millionen Follower) beim Hochzeitsdinner von Event-Designer Vincenzo Dascanio inszeniert wurde, aktuell gefragter denn je. Diese Lichtinstallation hat sogar einen eigenen Insta-Account bekommen und in der Branche weiss jeder, was gemeint ist, wenn man von „The cave of lights“ spricht. Für den Luxus-Bereich gilt nach wie vor: Unsere Kunden wollen ein Fest, das mühelos wirkt und zeitlose Eleganz widerspiegelt. Die besondere Herausforderung ist auch, der hybriden Gästeschar gleichermaßen ein tolles Fest zu bereiten, so dass sich jede Persönlichkeit und jeder Geschmack gut aufgehoben fühlt.

Zu den Zahlen: Was lassen sich Ihre Auftraggeber eine luxuriöse Hochzeit kosten?

Im Schnitt geben die Brautpaare 10.000 Euro für eine Hochzeit aus. So das Statistische Bundesamt. Klar sieht es da im Luxus-Bereich anders aus. Da gibt es nach oben hin kaum Grenzen. Es gibt zwei Löwenanteile im Budget: ein Drittel entfallen auf Logis und Catering, ein weiteres Drittel auf Blumen und Dekoration. Das restliche Drittel teilen sich dann je nach Größenordnung der Veranstaltung zehn bis 20 weiteren Gewerke, die an einer Hochzeit beteiligt sind.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Fine Weddings bei einem großen Hochzeits-Event?

Unser festes Kern-Team on location am Hochzeitswochenende besteht immer aus einem Team aus sechs eingespielten Mitarbeitern. Hinzu kommen dann noch die externen kreativen Partner, die für konkret für diese Hochzeit engagiert wurden. Das können mehr als 30 Gewerke sein, so dass am Ende des Tages hinter und vor den Kulissen auch mal 130 Menschen vor Ort arbeiten. – und es galt für uns, jederzeit den Überblick über alle zu behalten, diese zu koordinieren und dafür zu sorgen, dass genügend Crew Catering bereitsteht. (Lacht.)

Worin besteht die besondere Kunst, Menschen zu diesem Anlass gerecht zu werden, die ein relativ hohes Niveau gewöhnt sind?

Eine Hochzeitsfeier sollte authentisch rüberkommen – das Brautpaar soll strahlen vor Glück, jeder soll sehen, wie sehr sie sich lieben. Das Fest wird unvergesslich bleiben, wenn es besonders war. Dazu gilt es folgende fünf goldene Regeln zu beachten: Der Gast darf nicht frieren, schwitzen, oder hungern, er darf nicht durstig sein und sich nicht langweilen. Der Begriff Luxus definiert sich in diesem Kontext übrigens nicht über das Budget – sondern als die Freiheit, genau das tun zu können, wonach einem zu dem Zeitpunkt ist.

Welche ausgefallenen Wünsche und Ideen durfte Fine Weddings schon umsetzen?

Da gab es so einige. Aber besonders war wohl die Hochzeit, bei der wir anstatt eines Zeltes eine Orangerie aus Glas und Stahl auf eine große grüne Wiese im Nirgendwo aufgebaut haben. Hier brauchte es natürlich auch fließend Wasser und ausreichend Strom. Und die Orangerie bekam ein Fundament und Wände und Decke aus Glas. Nachts sah man in einen Himmel aus hängenden Gärten und Sternen. Als wir kamen, war da eine grüne Wiese. Und als wir gingen, war da wieder eine grüne Wiese. Zum Glück gibt es wunderschöne Fotos von diesem Wochenende. Sonst würde ich selbst denken, dass das nur ein Traum war. Aber ein wunderschöner.

Wie sieht Ihr Traumauftrag aus?

Die Hochzeit von Grace Kelly hätte ich gerne designt und konzipiert. Ein Traumauftrag ist es, wenn er von Traumkunden kommt. Die gibt es auch im wahren Leben. Das sind die Kunden, die mir vertrauen und die sich einlassen können, auf den monatelangen Prozess der Hochzeitsplanung. Und die am Ende in vollen Zügen ihr Fest genießen, weil sie wissen, wir halten ihnen den Rücken frei und reichen ihnen ein Glas knackig kalten Champagners in genau der richtigen Sekunde.

Nadine Metgenberg, Gründerin von FINE WEDDINGS & PARTIES

Nadine Metgenberg, 1975 geboren, ist die Gründerin von FINE WEDDINGS & PARTIES und als erste und einzige deutsche Hochzeits- und Eventplanerin berechtigt, offiziell als EPIC-Member aufzutreten. Sie beherrscht drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Spanisch) und hat vier Kinder. In ihrer großen Familie wurden Spaß und Feiern schon immer sehr Ernst genommen, und so wurde aus ihrer Passion plötzlich eine Profession. Zu Fine Weddings geht es hier: fine-weddings.de

Taataaatata, das Hochzeitsbuch ist da!

Jetzt frisch bei HarperCollins erschienen ist das Hochzeitsbuch von Nadine Metgenberg. Auf 256 Seiten „alles, was ihr für euren unvergesslichen Tag wissen müsst“. Es ist voller schöner, inspirierender Erlebnisse, Tricks und Kniffe für ein traumhaftes Fest. Im Idealfall ist es gleich bei der Verlobung dabei, denn das sind 20 Euro, die sich nicht nur auszahlen, das Buch ist auch sehr liebevoll gestaltet.

 Fotos: Zuzu Birkhof zuzubirkhof.com; Interview: Freya Matthiessen und Karen Cop // Datum: 22.8.2019/21.11.2019