Nachhaltigkeit in Unternehmen – mehr Schein oder Sein?
Von „Nachhaltigkeit“ und „Corporate Social Responsibility“ ist seit Jahren geradezu inflationär die Rede. Doch was ist sie wert? ‑ Ein kritischer Blick auf die Hintergründe der Begrifflichkeiten von Prof. Dr. Fifka, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Nachhaltigkeit ist ein Must
Kaum ein Produkt, auf dem kein grünes Siegel prangt, kaum ein größeres Unternehmen, das nicht zumindest auf der Website seine gesellschaftliche Verantwortung betont. Begrifflichkeiten wie „Nachhaltigkeit“ und „Corporate Social Responsibility“ (CSR) sind populär und werden, so scheint es, inflationär verwandt.
Das ist kein Zufall: Die sozialen und die ökologischen Probleme, mit denen wir als Gesellschaft konfrontiert sind, nehmen zu, wobei auch das Bewusstsein wächst, dass wir Lösungen brauchen. Es schlägt sich freilich nicht nur im Verhalten von Konsumenten nieder, sondern auch in dem der Arbeitnehmer. Immer mehr, insbesondere junge Menschen, wünschen sich, für Unternehmen tätig zu sein, die mehr im Sinn haben, als ihre Profite zu maximieren. Zudem wird unternehmerisches Handeln immer transparenter. Skandale und Verstöße werden in den sozialen Medien in Sekundenschnelle in alle Teile der Welt verbreitet und entfalten sofort ihre Wirkung. Die Reputationsschäden folgen auf dem Fuße. Warren Buffet soll dazu treffend bemerkt haben: „It takes 20 years to build a reputation, and only five minutes to ruin it.” Der Druck auf Unternehmen, korrekt zu agieren, wird also größer. Grund genug, sich näher mit den Konzepten und Begrifflichkeiten zu befassen.
Die lange Geschichte der Nachhaltigkeit
Der Begriff der Nachhaltigkeit ist zweifellos am ältesten. Der deutsche Forstwirt Hans Carl von Carlowitz forderte schon 1713 in seinem Grundlagenwerk „Sylvicultura Oeconomica“, dass Wald nur so viel Holz entnommen werden sollte, wie nachwachsen könne, da man sich sonst seiner Existenzsicherung beraube.
Diese ökologische und wirtschaftliche Überlegung wurde fast dreihundert Jahre später um die soziale Dimension erweitert. Die „World Commission on Environment and Development“ der Vereinten Nationen, die im Namen ihrer Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland als „Brundlandt Kommission“ bekannt geworden ist, formulierte 1987: „Nachhaltiges Wachstum ist das Wachstum, das den Bedürfnissen gegenwärtiger Generationen gerecht wird, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre Bedürfnisse zu befriedigen.“ Hier geht es also zunächst darum, sozioökonomischen Fortschritt besonders für die Menschen auf der Welt zu bewirken, die notleidend sind. Fortschritt geht jedoch in den meisten Fällen mit dem Verbrauch natürlicher Ressourcen und einer Belastung der Umwelt einher. Dies wiederum bedeutet eine Gefährdung späterer Generationen, weil manche Ressourcen für sie möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stehen oder weil die Umweltschäden untragbar geworden sind.
Tripp Bottom line: Die drei Säulen der Nachhaltigkeit
Zehn Jahre später brach der englische Unternehmer und Autor John Elkington den Ansatz mit seiner „Triple Bottom Line“, unter der drei Summen gezogen werden, auf die Handlungsebene herunter. Er forderte ein, Unternehmen nicht nur auf Basis ihrer finanziellen, sondern auch ihrer sozialen und ökologischen Leistungen zu bewerten, indem sie die von ihnen verursachte Umweltbelastung und ihre philanthropischen Aktivitäten ebenfalls „bilanzieren“. In diesem Sinne ist heute weitestgehend unstrittig, dass ökonomische, soziale und ökologische Ziele die drei Säulen der Nachhaltigkeit sind.
Corporate Social Responsibility zwischen Verantwortung und Pragmatismus
Während der Begriff „Nachhaltigkeit“ eher proaktiver Natur ist, war das Konzept der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) in seinen Ursprüngen eher reaktiv angelegt. Im gesellschaftspolitischen Zeitgeist der 1950er und 1960er Jahre in den USA forderten Wissenschaftler dort erstmals eine Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen ein, die über die Absicht, im gesetzlichen Rahmen Gewinne zu erzielen, hinausging. Zu dieser ökonomischen und rechtlichen Verantwortung traten eine moralische und eine philanthropische Verantwortung hinzu, der Unternehmen nun gegenüber ihren „Stakeholdern“ nachzukommen hatten. Unternehmen hatten damit auf die Forderungen der Gesellschaft zu reagieren.
CSR: Social heißt nicht sozial
Heute wird CSR pragmatischer als Management-Ansatz verstanden, durch den Unternehmen Werte für sich und Werte für ihre „Stakeholder“ („Shared Value“) herstellen sollen. CSR verlangt also keinen Gewinnverzicht, ganz im Gegenteil, sondern dient dazu, die Wertschöpfung intelligent zu steigern. Corporate Social Responsibilty findet daher primär im Kerngeschäft statt und nicht im Rahmen philanthropischen Engagements. Um eine ausschließliche soziale Verantwortung im engeren deutschen Sinne, also beispielsweise um Sozialleistungen, ging es dabei nie. Hier wurde und wird der Begriff oft falsch interpretiert, da „social“ im Englischen in diesem Kontext nicht „sozial“, sondern „gesellschaftlich“ bedeutet. Auch der Begriff „Corporate Citizenship“ wird oft als Synonym für CSR verwendet, was nicht abwegig ist, da er das Verhalten von Unternehmen beschreibt, die ebenso wie gute Bürger ökonomisch klug agieren, die Gesetze achten und sich gegenüber anderen Mitgliedern der Gesellschaft verantwortlich zeigen.
Kultur guter Führung: Corporate Governance
Inhaltlich weiter entfernt, erfreut sich der Begriff der „Corporate Governance“ großer Beliebtheit. Er beschreibt Prinzipien und Praktiken guter Unternehmensführung und richtet sich dabei vor allem an die an die Ebene von Vorstand und Aufsichtsrat. Hier gilt es, eine Kultur guter Führung und Kontrolle in Unternehmen zu garantieren, so dass die Mitglieder der Organe im Sinne der „Shareholder“ und der „Stakeholder“ agieren. Damit tut sich ein Unterschied zur Idee von „Corporate Citizenship“ auf. Während Unternehmen sicher auch ohne Philanthropie verantwortlich agieren können, wird dies ohne gute „Governance“ nicht gehen. Wenn es an der Spitze von Unternehmen zu betrügerischem Handeln kommt, wird es kaum noch möglich sein, insgesamt verantwortlich zu agieren.
Die Frage ist: Wie verdient ein Unternehmen sein Geld?
Um die beiden zentralen Begriffe Nachhaltigkeit und CSR zusammenfassend in Verbindung zu bringen, kann CSR als unternehmerischer Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung verstanden werden. CSR betont damit die moralische Verantwortung und entsprechende Aktivitäten, während Nachhaltigkeit, wie der Begriff schon suggeriert, einen angestrebten Zustand beschreibt. Ohne eine funktionierende „Corporate Governance“ wird die Übernahme einer solchen Verantwortung jedoch misslingen, wobei „Corporate Citizenship“ allein sie auch nicht befördern kann. Schließlich könnten Unternehmen sehr wohl viel Geld für gute Zwecke geben, zugleich aber ihr Kerngeschäft ohne Rücksicht auf die Ökologie oder das soziale Umfeld betreiben. Vereinfacht gesagt, geht es darum, wie Unternehmen ihr Geld verdienen und nicht, wie sie es ausgeben.
Konzentration auf Nachhaltigkeit und Social Responsibility
Unternehmen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, ist zu raten, sich vor allem im Hinblick auf die Begriffe CSR und Nachhaltigkeit auf einen von beiden zu konzentrieren. Zu oft werden diese in der Kommunikation eher wahllos verwendet, ausgetauscht und variiert, was zu Unverständnis in und außerhalb von Unternehmen führt. Dabei sollte ohnehin nur das in Anspruch genommen werden, und zwar egal unter welchem „Label“, was auch wirklich passiert. In der medial transparenten Gesellschaft ist das Risiko, für soziale oder ökologische „Augenwischerei“ entlarvt zu werden, schlicht zu groß.
Autor: Prof. Dr. Matthias S. Fifka, Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft, Lehrstuhl Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Strategisches und Werteorientiertes Management, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg