31.5.2019
Generation Z – Die Kraft der Jahrtausendkinder
Jetzt ist die Generation Z am Zug – Revolte in Sicht? Eher nicht. Ihre Ideale sind vernünftig: weniger Stress, mehr Sicherheit, mehr Leben.
Die Kraft der digital Natives
Nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal so richtig zeigt eine Generation der Welt, dass sie als globales Phänomen alles infrage stellt und auf Konvention und Tradition pfeift. Nicht mit Gewalt, sondern mit der sanften Kraft des Sich- Verweigerns und des Anders-Handelns. Ausgerechnet aus der Generation der heute 9- bis 24-Jährigen schickt sich eine Gruppe von weltweit rund 80 Millionen gut situierter Digital Natives an, die Welt zu verändern – und das laut einer Studie von EY mit einer Kaufkraft von aktuell weit über 40 Milliarden Euro. Erstmals in der Geschichte lassen sich die Alten von den Jungen inspirieren, erstaunlicher noch, sie finden ihr hybrides, wechselhaftes Verhalten klammheimlich sogar cool.
Gute Work-Life-Balance als zentrales Anliegen
Ausgerechnet die Generation Z, der alphabetische Schlusspunkt der Alterskohorten, deren Typologisierung mit den Babyboomers (54–64 Jahre) begann, gefolgt von den Generationen X (36–53 Jahre) und Y (25–35 Jahre), leitet diesen Game Change ein. Sokrates hätte sich mit seiner 5.000 Jahre alten Kritik an der luxusverwöhnten, respektlosen Jugend wohl nicht träumen lassen, dass gerade die Jüngsten einmal die Welt der Altvorderen aus den Angeln heben würden. Damals gab es auch noch kein Internet, und die Digital Natives, jene Menschen also, die mit Smartphone, Whatsapp und Spotify aufgewachsen sind, leben nun konsequent nach dem Motto „I like, I do“. Weltweit setzen sie auf einen ebenso simplen wie überzeugenden Wertekodex: Vertrauen, Sicherheit, Transparenz – und das durchdekliniert durch alle Lebensbereiche. Steile Karriere und ein glänzendes Gehalt, dafür haben Babyboomer viel geopfert. Die Gen Z lässt das kalt, sie schwört auf die Work-Life-Separation.
Begegnung auf Augenhöhe statt Macht und Status
„Verdienst ist beim Job nicht das Wichtigste“, erzählt Zukunftsforscher Christian Scholz von der Uni Saarbrücken gern auf Kongressen, „sondern Sinn sehen im Tun“. Und auch Vertrauensarbeitszeit oder Desktopsharing werden von einer Generation, die nach Feierabend keine E-Mails vom Chef bekommen möchte und nach klaren Arbeitsstrukturen und flachen Hierarchien dürstet, eher als Mechanismus zur Ausbeutung denn als moderner Führungsstil verstanden. Als Wirtschaftskrisen wie die Lehman-Brothers-Pleite die New Economy ablösten, war diese Jugend meist erst neun oder zehn Jahre alt. Die Firmenentlassungswellen haben eventuell sogar die eigenen Eltern getroffen, oder zumindest hat man bei den Eltern erlebt, dass die Verschmelzung von Arbeit und Privatleben nicht wirklich gelingt. Neugier und Interesse im Beruf sind den Digital Natives deshalb nicht abzusprechen. Doch beruht Respekt eher auf natürlicher Autorität. Die volle Leistung wird bei einer Begegnung auf Augenhöhe eher erbracht als bei einem Beharren auf Macht und Status.
Sparbuch statt Aktien – Sicherheit steht für die Generation Z im Vordergrund
Im Schnitt verfügen Teenager in den USA heute schon über jährlich 2.450 Dollar für persönliche Ausgaben, so Finanzdienstleister Piper Jaffray. Kein Grund, auf Mehrwerte zu verzichten. Werden sie in Aussicht gestellt, wird auch Persönliches geteilt – Datenschutz hin oder her. Und das mit präferierten Unternehmen ebenso wie mit der Bank der Wahl. Früh denkt man an Vorsorge. Schulden machen ist out, das geregelte Privatleben steht im Vordergrund, begleitet vom Wunsch nach Abwechslung und Selbstverwirklichung. Die sichere Sparanlage wie Festgeld oder sogar das gute alte Sparbuch wird dem Investment in Aktien bei Weitem vorgezogen. „Das Erstaunliche“, so eine Studie von Flossbach von Storch: „Obwohl die Mehrheit ihr Geld so anlegt, dass der Ertrag bei null liegt, erwartet mehr als die Hälfte eine Rendite von deutlich über zwei Prozent.“ Reichlich bizarr für eine Gruppe, die Volatilität aushalten und Kurseinbrüche aussitzen könnte.
Die Generation Z kennt keine Markentreue
Die Generation Z bestellt bei Amazon und steht auf Apple-Produkte und Stan-Smith-Sneakers von Adidas. Weniger auf Nike. Überhaupt ist das Markenverständnis und der Hang zu Qualität bis hin zu Luxusbrands sehr ausgeprägt. Anders als die Elterngeneration, die einer begehrten Marke oft lebenslange Treue hielt, übt sich die neue Jeunesse dorée im Lieben und Entlieben. Aus Loyalität wird Labilität, was Marken wie Louis Vuitton, Gucci, Dior oder Calvin Klein bitter zu spüren bekommen, denn der Wachstumsmarkt Luxus wird von Millennials und der Gen Z angetrieben. Dabei ist das Eingehen auf die veränderte Erwartungshaltung dieser Kundschaft entscheidend.
Social Media, Connectivity oder AI verschaffen Wettbewerbsvorteile
Luxus mag ursächlich auf Massenkanälen wie Instagram oder Twitter nichts zu suchen haben, und Social Media war deshalb für viele Luxusmarken nicht vorstellbar. Mittlerweile ist es ein strategisches Muss, um die Zielgruppe, die nach Forbes bis 2020 die stärkste Käufergeneration stellen wird, zu erreichen. Marken wie Gucci rühmen sich mit 22,3 Millionen Followern auf Instagram. Präferiert wird das ganz persönliche Einkaufserlebnis. Die Grenzen zwischen analogem und digitalem Shopping verschwimmen. Connectivity ist King. Wer im Ringen um Service und Qualität auch noch Augmented Reality mit Mode- oder Beauty-Apps bietet, wie Zara oder L’Oréal, punktet bei dieser Zielgruppe ungemein. Auch künstliche Intelligenz in Form von Chatbots wie Alexa und Siri schafft Wettbewerbsvorteile, ermittelte der Unternehmensberater Deloitte in seiner jüngsten Studie „Global Power of Luxury Goods 2018“.
Neue Konsumentenmuster
Die Generation Z ist ein totalitärer Hybrid. Sie teilt Auto, Bohrmaschine und Wohnung. Sie kombiniert Aldi-Pasta mit veganer Bio-Feinkost. Branchen- und themenübergreifend ist es deswegen bereits zu einem Bruch mit einer jahrzehntelang geltenden Verhaltenslogik und Konsumentenmustern gekommen. Die erste Generation, die digital aufgewachsen ist, läutet mit ihrer sanften Revolution nicht nur zum Umdenken in Politik, Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe ein, sie scheint uns stärker zu verändern als alle Generationen zuvor.
Text: Gerd Giesler